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Archive - Nannies in the Homes of the Soviet Elite - Comments

Oxana - 08.03.2013 00:34
Alissa Klots
First of all, I would like to thank the seminar participants for reading my work. This is a work in progress so your comments are invaluable for the development of my dissertation project on domestic service in the Soviet Union. Your suggestions help determine which aspects of the phenomenon are promising for future research.
I would also like to apologize for the lack of context in the paper. It was presented as a separate piece at the Association for Slavic, East European, and Eurasian Studies Convention in 2012. It is based on the material I have collected for my dissertation project. Right now I am at the preliminary state of my research, trying to determine which avenues would be the most productive before I actually sit down to write my dissertation proposal. Of course, the biggest challenge remains to historicize domestic service, to determine to what extent it was shaped and transformed by the Soviet system and what sets it apart from paid domestic labor in the West. Those of you who are interested in the work I have done on some other aspects of domestic service in the Soviet Union can read my recently published article ?The Luminous Path: Domestic Service as a Migration Channel and Social Mobility Mechanism under Stalin? in the New Literary Observer http://magazines.russ.ru/nlo/2012/117/k7-pr.html.
I completely agree with the seminar participants that there are certain categories such as ?elite?, ?Jewishness?, etc., that require clarification. However, I would like to emphasize that in no way do I mean to say that servant-keeping was an ?elite? practice. Elsewhere I actually explicitly argue against Natalia Lebina?s interpretation of domestic servant as a symbol of high social status. There is archival evidence that suggests that not only Soviet nomenklatura or intelligentsia but also low-paid manual workers hired domestic help. Of course, this makes the urban-peasant dichotomy even more problematic.
The paper under review indeed paints a very positive picture of master-servant relationships. Partly this is the bias of the sources but also my conscious decision to focus on the cultural exchange between domestics and their employers. Other aspects of these complex relationships such as physical and sexual abuse, theft, conflicts over domestics? incompetence and simple kitchen skirmishes are part of the story that is yet to be written. These incidents are mostly reflected in the materials of local cells of the Professional Union of Communal Workers where both employers and domestic workers wrote to complain and in publication sin the Soviet press that covered some court cases against employers.
I agree that I need to put more thought into the ways I use retrospective sources, such as memoirs and oral interviews. Perhaps, I should talk about the role nannies play as symbolic childhood figures rather than their influence on Soviet children. At the same time I do not want to be too quick to discard the fact that at least some Soviet children spent most of their time with their nannies, outside of the state-run daycare system.
To sum up, there are still a lot of questions about domestic service in the Soviet Union that I cannot yet answer and your comments are very helpful in showing how they can be approached.

Oxana - 08.03.2013 00:31
Besprechungsprotokoll zum Text

Nannies in the Homes of the Soviet Elite: Transcending Borders of Class, Ethnicity, and Culture
Alissa Klots
Der Text birgt f?nf wichtige Potenziale: Er untersucht 1) eine Konstante zwischen dem Zarenreich und der Sowjetunion, 2) Abh?ngigkeitsverh?ltnisse von Arbeitern, 3) die Unterschicht aus der weiblichen Sicht, 4) das Land-Stadt-Gef?lle und 5) die Religion in der Sowjetunion. Dazu l?sst sich die Arbeit gut in breitere Studien ?ber Kinderm?dchen einbauen.
Spannend im Text ist, dass hier nicht nur der Einfluss der Nanny auf die betreuten Kinder, sondern auch die Akkulturierung der Nanny selbst in einer neuen Umgebung untersucht wird. Es ist interessant, dass es in der sowjetischen Gesellschaft ?berhaupt Kinderm?dchen gab und der Text schl?sselt die Transformation dieser Gesellschaft gewinnbringend nach einzelnen Aspekten auf. Es wird ein Kulturtransfer ? auch in Bezug auf die Religion ? vom Land in die Stadt aufgezeigt. Gleichzeitig k?nnte man den Kulturtransfer vom Land in die Stadt in Frage stellen und n?her untersuchen, wie starr diese ?l?ndlichen? und ?st?dtischen? Kategorien eigentlich waren: Waren beispielsweise einige der Arbeitgeber selbst Zuz?gler vom Land? War es Zufall, dass man Kinderm?dchen aus einem tieferen Bildungsstand w?hlte? War dies eine kulturelle Entscheidung, oder liess sich niemand anderes f?r die Aufgabe rekrutieren? Mit welchem Ziel zog die zuk?nftige Nanny in die Stadt; stand eine h?here kulturelle Motivation hinter dem Entschluss oder wollte sie m?glicherweise nur dem tristen Landleben entfliehen?
In der Gruppe wurde auch diskutiert, welche Stellung die Erziehung von Kindern und Jugendlichen in der neu entstehenden Gesellschaft tats?chlich einnahm und wie Nannies in Bezug zur ?ffentlichen Schulbildung zu verorten sind: Trotz einem Anspruch auf Kulturnost und der Angst vor der l?ndlichen ?Zur?ckgebliebenheit? gab es keine zentralen Schulungen f?r Nannies und es erstaunt, dass sich diese wichtige Sph?re der staatlichen Kontrolle entzog.
Quellen
Auf Seite 3 f?hrt die Autorin aus, dass es sich bei den untersuchten Quellen um autobiographisches Material wie Memoiren und Interviews mit Zeitzeugen handelt, was bei den Teilnehmer/innen auf grosses Interesse gestossen ist. Obwohl sie auf die Problematik dieser Quellen hinweist, zeigt der Text wenig Sensibilit?t daf?r auf. Die Texte stammen von Menschen aus dem j?dischen Milieu, doch es wird nicht klar, ob sich Frau Klots explizit f?r die j?dische Elite interessiert, oder ob ihr Untersuchungsgegenstand durch die gefundenen Quellen bestimmt wird. (Handelt es sich bei den Nannies um legale Migranten, k?nnte der Quellenkorpus eventuell ?ber die Einwohnermeldung in der Stadt, die Wohnraumbeh?rden oder das Passwesen erweitert werden.) Trotz der Festlegung auf j?dische Quellen, l?sst der Text offen, welche Elemente der Interaktion zwischen Land und Stadt sich spezifisch auf j?dische Familien beziehen und was der allgemeinen Zeitpolitik zugeordnet werden kann. Es w?re ferner interessant zu wissen, wie viele Familien und wie viele Kinderm?dchen insgesamt analysiert wurden und wie viele davon tats?chlich j?disch waren. Ebenso fehlt eine Angabe ?ber die Anzahl der gef?hrten Interviews.
Der Text erz?hlt (evtl. auch aufgrund der Quellenlage) nur eine ?positive? Geschichte, in der keine Ausbeutungsverh?ltnisse thematisiert werden. Auf Seite 8 relativiert die Autorin den zuvor wie danach hervorgehobenen Einfluss der Nanny auf ihre Z?glinge und provoziert damit einen Bruch in ihrer Argumentation: Was war die wirkliche Position der Nanny und wieso kommt es auf Seite 8 zu diesem Bruch? An einigen Stellen werden autobiographische Quellen sehr ernst genommen, an anderen ohne Begr?ndung wieder nicht. Dazu treten auch methodische Probleme auf (Oral History vs. autobiographische Texte). Frau Klots wendet zwar selbst ein, dass in den Quellen viel Nostalgie mitschwingt, geht auf diesen Kritikpunkt dennoch kaum ein. Wie kommt man aber mit dieser einseitigen Quellenlage an Dimensionen wie der H?uslichen Gewalt? Sie findet in Privatr?umen statt, und entzieht sich dadurch der staatlicher Aufsicht und Kontrolle. Ferner wird der Bereich der Sexualit?t genauso ausgeklammert wie das Thema der ?illegitimen Kinder? oder des Kindsmords. Eventuell liessen sich polizeiliche Akten oder solche der F?rsorge finden. (Polizeiliche Akten aus der Zeit des Stalinismus sollten zumindest in Registrierungsangelegenheiten zug?nglich sein, etwas schwieriger d?rfte es um den Zugang zu Fallakten stehen. Angaben zu illegitimen Kindern m?sste man auch in der juristischen Literatur finden k?nnen.)
Es wird grunds?tzlich nicht klar, ob der Untersuchungsgegenstand des Textes die Erinnerungsgeschichte und die Analyse der Begegnung zwischen Land und Stadt ist oder aber die ?berpr?fung von bestimmten Annahmen zur Akkulturation in der sowjetischen Gesellschaft. Sollen Nischen innerhalb einer totalit?ren Gesellschaft n?her beleuchtet werden oder steht der ?personal impact? im Zentrum? Der Text legt nicht fest, ob er allgemeine Aussagen und Muster herausarbeiten will oder ob er individuelle Einzelf?lle analysieren m?chte.
Inhalt
Die Gruppe diskutierte dar?ber, ob die Kinderm?dchen tats?chlich einen so grossen Einfluss auf die betreuten Kinder hatten, wie es der Text suggeriert. Verstanden die Kinder das Land oder die Religion besser, nur weil das Kinderm?dchen ihnen davon erz?hlte? Evtl. ist der angenommene Einfluss vorwiegend einem Topos des Kinderm?dchens in der Autobiographie zuzuordnen? Es m?sste gekl?rt werden, seit wann die Nanny ein Topos des Genres ist und wie dieser definiert wird. In einem zweiten Schritt k?nnte man die Quellen gegen die allgemeinen Attribute filtern.
Dem Text fehlen allgemeine Hintergrundinformationen und die Kontextualisierung spezifischer Fakten in einen gr?sseren historischen Zusammenhang. Es wird nicht erkl?rt, wie die Anstellung von Kinderm?dchen im sozialistischen System gerechtfertigt wurde. Die Institution des Kinderm?dchens ist nichts genuin Russisches und erinnert an das Westeuropa des 19. Jh., so zum Beispiel der Paternalismus gegen?ber dem M?dchen oder das ?vom Land holen?. Spannend w?re zu kl?ren, was dabei sowjetisch war. Gleichzeitig hat das ?J?dische? in diesem Kontext neben der Stadt-Land Dichotomie noch eine weitere Dimension, n?mlich die Orthodoxie im Kontrast zu den j?dischen Kosmopoliten. Die Diskurse Land vs. Urbanisierung und j?disch vs. russisch orthodox werden von Frau Klots nicht aufgel?st und es bleibt offen, wie der erste Diskurs mit dem zweiten zusammenh?ngt. Es ist spannend, dass der Text den j?dischen Bezug nur ?ber Frauen aufmacht, doch auch hier verzichtet Frau Klots auf eine Kontextualisierung. Die j?dische Nomenklatura f?hlte sich nicht j?disch, sondern als Bolschewiki, aus der Sicht der l?ndlichen Nanny wurde sie aber als j?disch wahrgenommen. Hatte die Religion der Arbeitgeber Einfluss auf die Stellensuche der Nannies und wussten die Kinderm?dchen im Vorfeld, ob die betreffende Familie j?disch war? (Das Zitat auf Seite 10 ?my Jews? m?sste in einen zeitlichen Bezug gesetzt werden).
Die Autorin beschreibt sowohl den Einfluss der Nannies auf die Kinder der Elite wie auch den Einfluss dieser Familien auf die Nannies. Was aber fehlt, ist die direkte Interaktion der Nannies mit den Eltern: Gab es hier einen kulturellen Transfer und welche Auswirkungen hatte die Interaktion beispielsweise speziell auf die Mutterrolle? Der Text k?nnte auch erl?utern, warum die Familien, welche Nannies einstellten, keine Grossm?tter hatten? Immerhin war und ist die Drei-Generationen Familie in Russland die Norm und das Babysitten ein klassischer Grossmutterjob. Bei den ausgew?hlten Fallbeispielen fehlen die Babu?kas m?glicherweise, weil die Arbeitgeber selbst Immigranten waren und es daher eine soziale Notwendigkeit darstellte ein Kinderm?dchen einzustellen. Mobil waren hier folglich sowohl die Aufsteiger, wie auch die untere Schicht.
Die Nanny lief dem Projekt der Sowjetisierung und dem Neuen Menschen v?llig entgegen. Was aber geschah mit traditionsbewussten Nannies in einer Zeit, in der jeder zum Kontrarevolution?r erkl?rt werden konnte? Gibt es Beispiele, die den Stereotyp vom ?l?ndlichen? Kinderm?dchen brechen? Z.Bsp. Nannies, die sich in der Stadt bestens vergn?gen oder aber stramme Genossinnen werden? Die Genderthematik wird nicht thematisiert.
Eine Schwierigkeit f?r die Gruppe war, dass wir nicht wussten, um was f?r eine Art Text es sich hierbei handelt: Eine Einleitung? Ein Kapitel? Ein Aufsatz?
Die Teilnehmer/innen sehen in diesem Thema ein sehr grosses Potential und w?ren sehr daran interessiert, weitere Erkenntnisse aus diesem Projekt zu bekommen. Sie bedanken sich bei der Autorin f?r den spannenden Text, der zu einer lebendigen und guten Diskussion gef?hrt hat.

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