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| Archive - Fighting the famine of 1921-1923 in the Urals - Comments
Liebe Kolleginnen und Kollege,
ich moechte mich vor allem bei Ihnen fuer Ihre Fragen und Kommentare bedanken.
Es ist zunaechst zu bemerken, dass zur unseren Besprechung eine gekuerzte Variante vom ausfuehrlichen Artikel vorgeschlagen wurde, der bald auf Russisch und Deutsch veroeffentlicht werden soll. Ich wuerde aber schon jetzt versuchen, einige Momente zu klaeren, die am haeufigsten in Frage gekommen worden waren.
Erstens, zu ARA als ?Kommerzorganisation?. Ich benutzte diesen Begriff, um die organisatorische Komponente in der ARA-Taetigkeit deutlich zu betonen. Fuer die effektive Arbeit scheint die Erfahrung des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit sehr wichtig zu sein. Die Unterzeichnung des offiziellen Vertrages mit der sowjetischen Regierung wandelte ARA in die quasistaatliche Struktur um und vergroeЯerte ihren Spielraum. Darum wurde ARA fuer andere karitativen Organisationen (YMCA, Joint Distribution Committee bzw. religioesen Missionen) zur Dachorganisation und Vermittlungsstruktur.
Abgesehen von ihrer karitativen Taetigkeit sammelten die ARA-Angestellte die Information verschiedener Art, sowie die wirtschaftlichen Angaben, deren Interpretation in den 20-er Jahren negativ auf die politischen und Handelsbeziehungen zwischen UdSSR und USA einwirkte. Als positives Ergebnis ist die Gruendung von der ?Sowjetologie? in der USA zu erwaehnen.
Das interessante, aber gleichzeitig das schwierige Problem stellt die Frage nach gegenseitigen Wahrnehmungen und Deutungen dar. Im Projekt wird es nicht nur nach den kulturellen und politischen Unterschieden zwischen Russland und USA, bzw. zwischen Sowjetsystem und westliche Staatsorganisation gefragt, sondern auch nach dem Unterschied zwischen den Subjekten, die an diesem Experiment teilgenommen haben. Die jungen und ehrgeizigen Amerikaner, die im Durchschnitt gut ausgebildet waren und dazu noch die Schule des Ersten Weltkrieges absolvierten, wurden sehr stark von bestimmten Stereotypen gepraegt. Sie haetten wirklich daran geglaubt, dass sie dieses Land amerikanisieren (sogar hooverisieren) und modernisieren koennten. Fuer die russische Seite fehlen leider die Ego-Dokumente, die primaere Reaktion und Wahrnehmung der russischen Bevoelkerung widerspiegeln koennten. Die GPU-Berichten ueber die Bevoelkerungsstimmungen scheinen tendenzioes und von den Feindbildern sehr gepraegt zu sein.
Was den Kulturumtausch betrifft, war er auf den beiden Seiten sehr oberflaechlich. Die Amerikaner sammelten die fuer englische Sprache ungewoehnlichen Woerter und Abkuerzungen, die ihnen jedoch im fremden semantischen Feld besser sich zu orientieren erlaubten. Auf der russischen Seite erschiene auch die ganze Palette von Neologismen, die aber nur kurz existierte. Mehr Information zu dieser Frage bietet mein Artikel im Sammelband ?Vek pamjati, pamjat? veka? (Tscheljabinsk, 2004)
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Julia Khmelevskaja hat einen interessanten Beitrag mit drei wichtigen Perspektiven verfasst: sie setzt einen weiteren wichtigen Akzent in der Regionalgeschichtsforschung des Urals, bereichert die politische Beziehungsgeschichte zwischen der Sowjetunion und Amerika durch einen kulturwissenschaftlichen Zugang, der besonders einen kulturellen Austausch fokussiert und beschaeftigt sich mit der fruehen Sowjetunion.
Als Reaktion auf das amerikanische Engagement in der Hungerhilfe erfolgte der Aufbau von Verwaltungs- und Kontrollstrukturen. Es waere interessant, mehr ueber die darueber gefuehrten Diskussionen und daran beteiligten Personen zu erfahren.
In der Argumentation von Julia Khmelevskaja erweist sich die Hungerhilfe weniger als eine humanitaere, als vielmehr eine oekonomisch motivierte Aktion, die auch an Orten durchgefuehrt wurde, zu denen bereits Kontakte bestanden. Auf der Alltagsebene scheint es zu einem interssanten Kulturaustausch, besonders auch in Form von Sprache, aber auch von Sitten und Gewohnheiten gekommen zu sein. Mich wuerde es interessieren, ob es Selbstzeugnisse, Erinnerungen oder Berichte darueber gibt. In wirtschaftlichen Krisenzeiten wurde Nahrung zu einem Handelsobjekt, das mit Korruption und Schwarzhandel verbunden war, indem Hungerhilfen illegal weiter verkauft wurden. Auf politischer Ebene war die Hungerhilfe ideologisch konnotiert, fuer die Empfaenger spielte das angesichts der existentiellen Noete keine Rolle.
Im Aufsatz wird eine Dichotomie zwischen der Sowjetunion und Amerika in der Politik, Kultur aber auch gegenseitigen Wahrnehmung gesetzt, die mir aber eine Folge der Hungerhilfe mit einer eigenen Dynamik zu sein scheint. Wieweit praegte die Hungerhilfe erst gegenseitige Stereotype, die dann weiter instrumentalisiert wurden, an welche Bilder des jeweils anderen knuepften sie an?
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Die Argumentation hat mich ?berzeugt. Beeindruckend ist die pr?zise und
gr?ndliche Quellenauswertung, die neues Licht auf die Beziehungen der
American Relief Administration zu den sowjetischen Beh?rden und zur
Bev?lkerung wirft. F?r mich ist deutlich geworden, wie heterogen damals
die Verh?ltnisse in dieser Region waren. Vertieft werden k?nnten
vielleicht noch die Deutungsmuster, mit denen die ?rtliche Bev?lkerung
die amerikanische Hilfe interpretierte. Hier ist die Quellenlage sicher
schwierig, aber es w?re interessant, noch mehr ?ber die Lebenswelten der
Bauern in dieser Region zu erfahren.
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