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| Archive - Lebensweltlich orientierte Geschichtsschreibung in den Jьdischen Studien: Das Basler Beispiel - Comments
26.01.04
Liebe Frau Khmelevskaya, lieber Igor, liebe Kolleginnen und Kollegen
Wie versprochen, sende ich noch einige abschliessende Bemerkungen zur
Diskussion ьber das Konzept der Lebenswelt.
Die Frage des Zusammenhangs zwischen Akteur und System, die Alexander Fokin stellt, verdient natьrlich besonderes Interesse. Dass Systeme auf die Lebenswelten der Akteure (den Begriff "Aktor" verwendet Habermas) einwirken, habe ich immer betont. Das scheint mir gerade der Vorteil des Konzepts zu sein, dass ьber die Untersuchung von Lebenswelten auch Systeme und Strukturen erschlossen werden kцnnen. Dabei bin ich davon ьberzeugt, dass auch das Handeln der Menschen auf die Strukturen und Systeme rьckwirkt, sie beeinflusst. Selbstverstдndlich wird dies in der Regel durch Gruppen geschehen, da der Akteur nicht isoliert ist. Deshalb verweise ich auf die Vernetzung von Lebenswelten.
Nicht ganz klar ist mir geworden, warum die Subjektivitдt des Historikers eine kritische Reflexion verhindern soll. Den Klassenbegriff verstehe ich so, wie er von Marx ьber Max Weber bis hin zu Sozialhistorikern wie Jьrgen Kocka oder Hans-Ulrich Wehler (oder auch in der franzцsischen Geschichtsschreibung) verwendet wurde. Die Diskussion
darьber wдre ein eigenes Thema. Eine Lebenswelt-Studie kann in eine Biographie mьnden. Oft kцnnen wir aber nur Fragmente einer Lebenswelt rekonstruieren, so dass hцchstens ein biographischer Abschnitt deutlich wird.
Die genannte Studie heisst: Alain Corbin: Auf den Spuren eines Unbekannten. Ein Historiker rekonstruiert ein ganz gewцhnliches Leben. Campus Verlag: Frankfurt a. M./New York 1999 (Le monde retrouvй de Louis-Franзois Pinagot. Flammarion: Paris 1998).
Olga Nikonovas Bedenken sind auch nach meiner Ьberzeugung sehr ernst zu nehmen. Hier mьssen wir in der praktischen Arbeit zeigen, wie wir damit umgehen. Sicher ist "Erfahrung" ein Teil der Lebenswelt, aber eben doch nur ein Teil; die Analyse beschrдnkt sich nicht darauf. Ьber die Vernetzung der Lebenswelten und die Verbindungen zu strukturellen Elementen kцnnen m. E. Systematisierungen, Typologisierungen,
Verallgemeinerungen mцglich sein. Im ьbrigen glaube ich nicht, dass die Quellen nur selten die Untersuchung von Lebenswelten erlauben. Ich stosse jedenfalls hдufig auf solche Mцglichkeiten. Entscheidend scheint mir, wie ich schon im letzten Brief bemerkt habe, die Blickrichtung vom Menschen aus zu sein und von dieser Perspektive aus die Quellen zu lesen.
Insgesamt bin ich sehr dankbar fьr alle Bemerkungen, die der Weiterentwicklung und Ьberprьfung des Konzeptes dienen. Ich hoffe, wir finden immer wieder einmal eine Gelegenheit, die Diskussion fortzusetzen. Vielleicht kцnnen wir dazu auch einmal eine konkrete Forschungsarbeit nutzen.
Mit allen guten Wьnschen und herzlichen Grьssen
Heiko Haumann.
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Ich glaube, dass das ?Lebeswelt?-Konzept, neben den Konzepten von ?Erfahrung?, ?Diskurs? usw. ein bedeutender Versuch der Historiker ist, bei der Uebertragung der Analyseschwerpunkte auf einen Akteuren, in ihn schwer trennbare individuelle und strukturelle Einfluesse zu erfinden. Nach den Diskussionen, die in der Tscheljabinsker Gruppe stattfanden, stellen fuer mich die naechsten Punkte eine besonderes Interesse dar:
- Quellenproblem. Mir scheint es logisch, dass gerade zwei letzte Jahrhunderte bei der Anwendung der vorliegenden Methodologie im Zentrum der Analyse stehen, die an den (Ego)-Zeugnissen reich sind. Zweifellos, wird die Enge der Quellenbasis, die fuer fruehe Perioden typisch ist, die Forschung der kommunikativen Praktiken eines ?kleinen Menschen? erschweren.
- Gesetzmaessig scheint auch die Nutzung des Lebenswelt-Konzeptes bei der Analyse des Judentums, weil die Strukturen gerade im Rahmen dieser ethnischen Gemeinschaft fuer ein Individuum mit dem Begriff des Fremdes oft uebereinstimmen. Gleichzeitig oeffnet die vorliegende Methodologie die neuen Perspektiven fuer die Untersuchung des Judentums. Das Lebenswelt-Konzept erleichtert den Uebergang von der Beschreibung des ?Schtetles? von aussen zum Erlebniss ihn ?von innen?.
- Es besteht noch eine Frage, die auch in Tscheljabinsk diskutiert wurde, inwieweit ist ein Forscher, der zu einer Nation gehoert, faehig, eine Lebenswelt von einer anderen Nation zu untersuchen. |
Heiko Haumann
"Lebenswelt"-Diskussion
Lieber Igor, liebe Frau Khmelevskaya, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Über die Diskussion zu dem Lebenswelt-Konzept freue ich mich
sehr, und ich bin f?r alle Bemerkungen und Fragen sehr dankbar.
Ich bitte um Verst?ndnis, wenn ich erst jetzt und in deutsch
antworte, doch ich stehe im Augenblick im Rahmen meines
Forschungsaufenthaltes in Wien unter grossem Zeitdruck.
Deshalb werde ich auch versuchen, so viel wie m?glich
zusammenfassend und verh?ltnism?ssig kurz zu beantworten.
Selbstverst?ndlich w?re ich froh, wenn dann die Diskussion
weiter gehen k?nnte.
Zun?chst einmal m?chte ich betonen, dass das Konzept, so wie
ich es verstehe, v?llig offen gedacht und nat?rlich noch
weiterzuentwickeln ist. Weder soll es zu einer universalen
Deutungsmatrix noch zu einer neuen Metaerz?hlung f?hren. Im
Gegenteil liegt ihm die Vorstellung zugrunde, dass Geschichte
uneinheitlich und vielschichtig verl?uft und die HistorikerInnen
immer nur Fragmente erkennen k?nnen.
Entscheidend ist f?r mich der Ausgangspunkt: der Mensch als
historischer Akteur. Von ihm aus, aus seiner Perspektive soll
sich die Forschung entfalten. Die Rekonstruktion der
Lebenswelten in der Wechselbeziehung zwischen Individuen und
Strukturen kann dabei andere Ans?tze mit einbeziehen. Nahe
liegt zum Beispiel eine Verbindung zu Bourdieus "Habitus" oder
zu Norbert Elias' "Figurationen". In diesem Zusammenhang
kann auch eine Beziehung zum Neukantianismus gepr?ft werden.
Ich m?chte betonen, dass das Konzept, wie ich es sehe, nicht
isoliert steht, sondern im gr?sseren Zusammenhang der
Alltagsgeschichte und der Historischen Anthropologie
entstanden ist.
Von vornherein integriert sind Kategorien wie Gender oder
Klasse. Ebenso versteht es sich von selbst, dass eine
Lebenswelt-Untersuchung interdisziplin?re Methoden nahe legt.
Da der Historiker nicht f?r alles kompetent ist (z. B. f?r die
Psychologie), ist gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit
Forschern anderer Disziplinen zu empfehlen. Wenn die
strukturellen Elemente einer Lebenswelt thematisiert werden,
kann dabei nat?rlich auf vorhandene sozialgeschichtliche
Untersuchungen zur?ckgegriffen werden. Dass dabei die
jeweiligen Umst?nde der historischen Epoche ber?cksichtigt
werden m?ssen, ist klar.
Nicht jeder Quellenbestand erlaubt es, die Lebenswelt eines
Menschen unmittelbar zu rekonstruieren. Corbin hat deutlich
gemacht, wie es m?glich ist, doch sehr viel dar?ber auszusagen,
selbst wenn die Person nur andeutungsweise in den Quellen
fassbar ist. Der Forschungsaufwand ist jedoch ungeheuer gross,
und der Ertrag steht dann gewiss nicht immer in einem
angemessenen Verh?ltnis dazu. Hier muss das Konzept sicher
noch "operationalisiert" werden, zumal es nicht dogmatisch
verstanden werden soll. Ich stelle mir aber vor, dass allein das
Nachdenken ?ber diesen Ansatz und seinen Ausgangspunkt
Anregungen dazu vermittelt, wie eine Forschung durchgef?hrt
werden kann.
Das gilt auch f?r Forschungen zu fr?heren Jahrhunderten. F?r die
Fr?he Neuzeit, teilweise auch f?r das Mittelalter liegen Ego-
Dokumente/Selbstzeugnisse vor, die Aussagen zum Akteur -
auch zu den "kleinen Menschen" - erlauben. Aber oft wird es
nicht m?glich sein. Dennoch: allein die Reflexion, sich in die
Perspektive des Akteurs hineinzuversetzen, wird einen neuen
Blick auf die Quellen zur Folge haben.
Ein Historiker kann meines Erachtens auch Lebenswelten von
Menschen untersuchen, die einer anderen Nation angeh?ren
(und ebenso fiktionale Personen). Hier besteht kein prinzipieller
Unterschied dazu, wenn ich z. B. zur Lebenswelt in der
Gesellschaft der Fr?hen Neuzeit arbeite. Aufgrund des
Quellenstudiums und der Ber?cksichtigung des Kontextes sollte
ich in der Lage sein, mich in "fremde" Welten hineinzuversetzen.
Nat?rlich besteht immer die Gefahr, dass der Historiker seine
eigenen Vor-Annahmen und Überzeugungen in seine
Interpretationen und Rekonstruktionen einbringt. Das ist aber bei
jeder Methode und bei jedem Ansatz gegeben. Die kritische
Selbstreflexion (die der kommunikative Charakter des
Lebenswelt-Konzeptes in besonderer Weise erfordert) und die
strenge Nutzung des geschichtswissenschaftlichen
Handwerkszeuges sollten diese Gefahr mindern.
Noch zu den speziellen Fragen zum Institut f?r J?dische Studien:
Selbstverst?ndlich gibt es dort auch Forschungen mit anderen
Ans?tzen. Überwiegend sind aber Konzepte der
Alltagsgeschichte und Historischen Anthropologie - neben der
Lebenswelt oder in Verbindung damit - vertreten. Ähnliche
Ans?tze verfolgen in Deutschland das Simon-Dubnow-Institut
f?r j?dische Geschichte und Kultur in Leipzig sowie
verschiedene Forscher. Arbeiten zu "grossen Pers?nlichkeiten"
ausdr?cklich mit einem lebensweltlichen Ansatz kenne ich nicht,
aber gute Biographien erm?glichen die Einbettung der Person in
seine jeweilige Welt. Grunds?tzlich denke ich, dass das
Lebenswelt-Konzept gerade bei den "kleinen Menschen" neue
Einsichten erlaubt.
Zur Frage nach den Feindbildern kann ich darauf verweisen,
dass sie vielleicht im Zusammenhang von
Erinnerungspolitik/Umgang mit Erinnerung und Geschichte
behandelt werden k?nnten. Auf jeden Fall w?re es interessant,
die individuellen Konstruktionen mit gesellschaftlichen
Deutungsmustern in Beziehung zu setzen. Hier?ber k?nnen wir
uns noch einmal gesondert austauschen. Ebenso bin ich gern
bereit, meine bisherigen Arbeiten zum Leben im j?dischen
Schtetl zur Verf?gung zu stellen, wenn das weiterhelfen k?nnte.
Das w?re f?r mich einfacher, als es jetzt hier ausf?hrlich
darzustellen.
Ich hoffe, ich bin auf alle Bemerkungen wenigstens kurz
eingegangen. Ich freue mich auf Nachfragen und auf eine
Fortsetzung der Diskussion.
Mit herzlichen Gr?ssen
Heiko Haumann. |
Diskussion des Textes von Heiko Haumann: Lebensweltlich orientierte Geschichtsschreibung in den J?dischen Studien: Das Basler Beispiel
Bei der Diskussion des Textes ging es weniger um die Darstellung und Entwicklung der J?dischen Studien in Basel, sondern um den methodisch-theoretischen Ansatz der Lebenswelt. Dabei standen drei Fragen im Mittelpunkt des Gespr?chs, die ich weiter unten anf?hre. Grunds?tzlich wurde Lebenswelt als ein interessantes Modell erachtet, da es vom Individuum ausgeht.
1. Wie kann das Konzept der Lebenswelt auf eigene Forschungen angewandt werden, wie kann eine m?gliche Umsetzung erfolgen?
David Frey hat seine Arbeit ?ber Davidoff und seine bisherigen Archivfunde geschildert, um dann daran zu diskutieren, wie eine Umsetzung des Konzeptes Lebenswelt aussehen k?nnte. Z.B. gibt es ein Portrait ?ber Davidoff von einem zeitgen?ssischen Schriftsteller. In dem Text wird Davidoff als Prominenter seiner Zeit benannt, der im Bereich Zigarrenhandel einmalig sei. In welchen ?Strukturen? wurde der Text geschrieben (Tradition literarischer Portraits, Diskurs ?ber Prominenz, M?nnlichkeit etc.)? Welches Bild wird dort von Davidoff entworfen, gibt es Übereinstimmungen zu anderen Identit?tsentw?rfen und ?konzepten von Davidoff?
Davidoff stammte aus der Ukraine und emigrierte 1906 nach Genf. Wieso kam er ausgerechnet in die Schweiz, lassen sich daf?r Gr?nde finden? Die hier zu untersuchenden Strukturen sind z.B. Antisemitismus in Russland, Migrationsbewegungen, Kommunisten in der Schweiz sowie die Familiengeschichte der Davidoffs.
2. Wenn wir bei der Betrachtung von Lebenswelt das Verh?ltnis von Individuum und Strukturen untersuchen, wie lassen sich dann die Schnittstellen ausmachen?
Zun?chst gilt es, so viel wie m?glich Material zu einem Individuum zusammen zu tragen und dieses dann unter Ber?cksichtigung des jeweiligen historischen Kontextes auszuwerten. Oftmals hilft ein Vergleich weiter, ob sich andere Individuen ebenso oder vollkommen anders verhalten haben. Das Individuum definiert sich durch seinen Namen, seine Biographie, kann aber dennoch typische Z?ge einer bestimmten Gruppe aufweisen.
3. Wieweit k?nnen wir ein Individuum verstehen, wo sind aber auch unsere Grenzen?
Wenn es beim Konzept der Lebenswelt um das Verstehen eines Individuums geht, stellt sich die Frage, wieweit wir uns in ein solches hinein versetzen k?nnen. Werden HistorikerInnen zu Psychologen? Diese Frage stand eher provokativ im Raum, weist aber auf das Problem hin, nicht ins Spekulieren zu geraten, aber dennoch auf Grund der vorhandenen Materialien ?ber ein Individuum Aussagen ?ber sein Denken, F?hlen und Handeln zu machen. Wieweit k?nnen wir jedoch eine Lebenswelt rekonstruieren, wenn wir nur wenige Selbst-/Zeugnisse auswerten k?nnen?
Weiter m?ssen wir einsch?tzen, wieweit ein Individuum kulturelle Pr?gungen ?bernimmt oder bewusst handelt. Kann man f?r das Leben unter Diktaturen ?berhaupt von einem Individuum mit einer eigenst?ndigen Identit?t ausgehen? Wir kamen zu einem vorl?ufigen Ergebnis, auch unter Diktaturen habe es zumindest in diversen Bereichen verschiedene Handlungsm?glichkeiten gegeben, die individuell entschieden wurden. Zudem kam die Frage auf, wer Strukturen pr?gt, und ob nicht oft auch wieder Menschen daran beteiligt seien.
F?r das Konzept des Individuums spricht auch, dass Menschen sich deutlich voneinander unterscheiden. |
Lieber Heiko,
noch im August, waehrend der Uebersetzung ins Russische Deines Textes, habe ich angefangen, ueber Deinen inspirierenden Aufsatz intensiv nachzudenken. Die anschliessende Reaktionen in Tscheljabinsk und Basel habe ich gespannt betrachtet und an den begleitenden Diskussionen in Tscheljabinsk teilgenommen. Heute moechte ich einige (Schluss)betrachtungen darueber mitzuteilen.
Den groessten methodischen Vorteil der Konstruktion Lebenswelt sehe ich in der Warnung vor dem willkuerlichen Eindringen des Forschers in die subjektive Wirklichkeit der Aktuere und vor den vorschnellen Interpretationen aus der kulturellen Perspektive des Historikers dessen, was in den Koepfen anderer Leute passiert(e). Das soll auch fuer die westeutopaeische und (besonders) amerikanische Historiker gelten, die oft die russische Geschichte ausschliesslich durch ?Brille? eigener Kultur betrachten. In der intensiven Reflexion des Historikers darueber, was er macht, und in den besser kontrollierten Forschungsprozeduren liegt m.E. der Pathos dieses Ansatzes.
Es scheint mir aber nicht weniger wichtig, deutlich die Grenzen der Lebenswelt als einer Forschungsmethode zu zeigen. Manche Fragen und Bemerkungen zu Deinem Text enthalten implizit oder explizit eine erhoehte Erwartung einer universalen Deutungs- und Forschungsmatrix. Man soll vor allem die Erwartungen zu beschrenken: wie der Fall Juergen Habermas zeigt, fuehrt die Ueberschaetzung der Moeglichkeiten des Lebenswelt-Ansatzes zur Produktion noch einer Metaerzaehlung.
Ausserdem soll man nicht ausseracht lassen, dass nicht jede Quelle die Rekonstruktion der Lebenswelt erlaubt. Dazu kommt noch die Schwierigkeit der Prozedur. Die Lebenswelt als Forschungsinstrument erleichtert die Arbeit des Historikers keinesfalls. Eher umgekehrt. Auf jeden Fall erlaubt dieser Ansatz Nachahmung der Fragestellung, nicht aber der Ergebnisse. Die Ueberforderung des Ansatzes kann leich eine Inflation der Methode und des Begriffs hervorrufen, wie das z.B. dem ?Diskurs? passiert. |
Sehr geehrter Herr Haumann,
Ihr Projekt ist vorwiegend den methodologischen Forschungsgrundlagender Lebenswelt gewidmet. Im Zentrum Ihres Ansatzes steht der Mensch mit seinen Beziehungen - symbolische Ordnungen, einschliessend Codes, Chiffre, Positionen, Normen, Aufarbeitungsweise der Wahrnemung und der Erfahrung usw. Dabei wird betont, dass die Lebenswelt der Akteure in einem historischen Kontext steht. Es waere interessant, mehr vom Kontext des Lebens der Judinnen und Juden im Stettl (wirtschaftliche Beziehungen, kulturelle, soziale und speziell die vom Gender bestimmten Unterschiede, Organisation von Herrschaft und Machverteilung).
Diese Frage hat fuer mich auch ein theoretisches Interesse. Welche Bedeutung hat die Charakteristik der (materiellen, symbolischen, mentalen und emotionalen) Systeme fuer die Analyse der Kommunikation? Spielt die Rekonstruktion der Besonderheiten von Systemen eine sekundaere Bedeutung (mit anderen Worten, folgt sie der Forschung der inneren Strukturen und Inhalten der Kommunikation)? Oder bildet sie eine Vorbereitungsphase zur Forschung der Lebenswelt und erlaubt eine apriore Vorstellung von den Erscheinungen der aeusseren Welt, mit denen der Aktor sich auseinandersetzen konnte, - mit anderen Worten, vom Kontext, in dem der Aktor lebt und agiert? |
Lyubov Verakhina to Dr. Haumann
1. You say that both the Institute for Jewish Studies and Historical Seminar of Basel University methodologically and theoretically are oriented to the research of ?lebenswelt? or ?word life?. Do you use any other methodological concepts or approaches? What of them are the most compatible with your methodological preferences?
2. Besides Jewish Studies Institute, are there any other scholarly centers in German speaking countries that conduct research on ?lebenswelt?? |
Questions of Andrey Romanov to Dr. Haumann
1. The idea of using the term ?lebenswelt? or ?world life? understood not only as personal and ?immediate? experience of the individual but also in the context of multi-dimensional cultural, social and economical connections looks interesting and promising. But for the theoretical background it would be reasonable to use also the French tradition, ascending to Pierre Bourdieu. It seems to me, that your preference given to theorist Habermas before theoretizing practitioner Bourdieu needs additional explanation. Besides all, the concepts of ?habitus? and ?field? (?????) would help to define the limits of world life in the space of social communications.
2. My next question is caused by my being puzzled with this all-embracing definition of the sphere of ?world life?. The possibility of placing the ?lebenswelt? to this many theoretical ?wrappings? (?envelopes?) is evidence of problematical character of the term, provoking also the feeling that justification of this concept needs excessive argumentation and thus deepening the problematic character again. There is also a problem of actual incomprehensibility of the resource base for one particular researcher, the result of what might be the risk that the ?lebenswelt? would be studied as representation of vital activity. These are my doubts and I would like to know your opinion on the matter. |
Kommentar von Heiko Haumann am 3.10.2003 auf das Protokoll des Basler Treffens vom 30.10.2003
Konzept Lebenswelt
Ich finde die Diskussion sehr
spannend. Die Frage des psychologischen Spekulierens ist
nat?rlich zentral, aber mir scheint der Vorteil beim Lebenswelt-
Konzept zu sein, dass wir bewusst dar?ber reflektieren, w?hrend
wir sonst h?ufig in unsere Quelleninterpretationen unsere
Eindr?cke ?ber die Personen unbewusst einfliessen lassen. Dass
Menschen die Strukturen machen, spricht letztlich auch f?r das
Konzept.
Wenn wir wenig an Selbst-/Zeugnissen ?ber eine Person haben,
k?nnen wir versuchen, vergleichend zu arbeiten, nach Quellen ?ber
deren Beruf in jenem Ort oder in jener Region zu schauen, ?ber die
Wohnverh?ltnisse etc., ?ber besondere Ereignisse, von denen er
oder sie betroffen gewesen sein k?nnte, usw. Das ist m?hsam,
l?sst aber in der Regel begr?ndete R?ckschl?sse zu. Es gibt ein
Buch, ich glaube von A. Corbin, in dem diese Vorgehensweise
ausprobiert wird. |
Sehr geehrter Herr Haumann,
Ihr Projekt hat Beruehrungspunkte mit dem Bereich meiner Forschungsinteressen. Es geht um die von den ?kleinen Leuten? getragenen Feindbilder und umfaengt die Zeit zwischen Ende der 1930-er Jahre und 1945. Mich interessieren sowohl die Konstruierungsmechanismen und Verbreitung der Feindbilder im Bewusstsein der Sowjetmenschen als auch ihre Transformation. In diesem Zusammenhang waere es interessant, Ihre Meinung ueber das theoretische Modell der Rekonstruierung von Feindbildern zu wissen sowie die Ergebnisse Ihrer Forschung der feindbilder aus der judischen Perspektive. |
Pavel Krasnov to Dr. Haumann
1. It has been emphasized in your project that drawing as possible near to the participants of communication and even the dialogue with them are one of the main components of research on the ?world life?. What is your opinion, is there any possibility that the result of the study would be not reconstruction of the ?lebenswelt? but its substitution by researcher?s self-reflection based on his own assumptions and suggestions?
2. According to the theory of communication action by Jurgen Habermas and your concepts, the correlation between the ?world life? (the subjective reality of the individual) and the ?system mechanisms? (external factors relating to and affecting the individual) was always different and changed with time. How do you think, is that possible to create more or less definite division of history into periods on this basis? |
More questions from Alexander Fokin
1. As you argue, the ?lebenswelt? method is universal. I wonder if it is applicable to the fiction characters, e.g. to the Irish Jew L. Blum?
2. Is that possible to reconstruct the ?lebenswelt? with limited source background or if there is only one single source available?
3. Don?t you think that it is better to run in the ?lebenswelt? methodology with famous historical figures first, for there is more source evidence on them that enables better reconstruction of their lives, and only then turn to the ?ordinary people??
4. Are there any studies on the ?lebenselt? of a big historical figure or famous statesman? |
Questions of Alexander Fokin to Dr. Haumann
1. When analyzing the sources and reconstructing the ?lebenswelt? did you use gender approach and psychological methods? If yes, could you please explain how. If no, do not you think that not using these methods the opportunities of study of different ?lebenswelts? are sufficiently limited?
2. How do you think, is that possible to make analogies or find any similarities between ?lebenswelt? studies and methodology of ?new Kantianism?, in particular with works of Lappo-Danilevski?
3. How can you trace the cultural connections using the sources that represent particular static spaces of time and how do they affect the transformation of ?lebenswelt??
Is that possible to reconstruct ?lebenswelt? being based on scarce or fragmentary sources, e.g. medieval documents?
4. How do you assess (estimate) the measure of authenticity of reconstruction of the ?lebenswelt?, to what extent it is created by your own mind? |
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