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| Archive - Rumors in Russia, XX century - Comments
Liebe Diskussionsteilnehmer,
die Idee, die Geschichte Russlands im Medium des Geruechts zu erzaehlen, finde ich sehr interessant. In dem sehr kurzen Einfuehrungstext stecken viele Ideen, aber auch viele Probleme. Vor allem wird bei der Archivforschung das Problem schwierig zu loesen sein, ob man zu einem bestimmten Ereignis an einem bestimmten Ort und fuer einen eingegrenzten Zeitrahmen Dokumente finden kann, die eine "dichte Beschreibung" einer veraenderlichen Situation mit Hilfe von Geruechten erlauben. Sind Geruechte - man denke an Pogrome - nicht nur _ein_ Stadium in bestimmten Ereignisverlaeufen?
Zudem fand ich bemerkenswert, dass Geruechte lediglich im Kontext einer "Gegen-Kommunikation" dargestellt werden sollen. Wenn im Einfuehrungstext von den Funktionen der Geruechte die Rede ist, bleibt die im engeren Sinn politische Sphaere ausgeklammert. Handeln nicht aber auch die Machthaber oft nach Massgabe von Geruechten? Sind bei Machtkaempfen an der Spitze nicht Geruechte oft wesentliche Mittel in der Kommunikation? Was unterscheidet ein doerfliches Geruecht von einem, das im Politbuero kursiert?
Gerade weil die bekannten Beispiele aus der Forschung der letzten Jahre Geruechte oft als die "wahrere" "Stimme des Volkes" dargestellt haben, waere es doch interessant, den Interaktionsprozess klarer ins Blickfeld zu bekommen. Damit bewahrt man sich davor, "Staat" und "Gesellschaft" eindimensional als dualistischen Gegensatz zu beschreiben. Was das Projekt interessant macht, ist die ambivalente Funktion von Geruechten zwischen subversiver politischer Meinung und travestiertem Propagandaslogan.
Christian Teichmann
Humboldt-Universitaet Berlin
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Vielen Dank fuer die Vorstellung der Archivdokumente und Geruechte, die in
Russland zirkulierten. Auch habe ich die Diskussion verfolgt und kann
mich nur anschliessen: Diese Dokumente sind hoechst interessant. So bin
ich auch sehr dankbar fuer die Einordnung der Geruechte. Auch ich habe mit
einigen Geruechten bei meinem Forschungsprojekt zu tun und habe sie lange
Zeit ignoriert. Jetzt habe ich aber zum Test einem Geruecht sozusagen
geglaubt und bin ihm nachgegangen. Ploetzlich offenbarte sich eine ganz
andere Sicht der Dinge. Vielleicht sollte man prinzipiell Geruechten
Glauben schenken. Doch dann fragt sich, wie wir als Historikerinnen
damit umgehen: Koennen wir eine Geschichte Russlands auf der Basis von
Geruechten schreiben? Hierbei habe ich Probleme und waere fuer weitere
Hinweise sehr, sehr dankbar.
Herzliche Gruesse, Joern Happel.
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