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Eine optimistische Tragoedie oder ein nationales Drama?

24.10.2007, 20:32

D. A. Sedyh

Eine optimistische Tragoedie oder ein nationales Drama?

(Ueber die Herausbildung der Gestalt des Russisch-Japanischen Krieges im oeffentlichen Bewusstsein)

Der Russisch-Japanische Krieg bleibt in der russischen Historiographie nach unserer Auffassung auch weiterhin ein wenig erforschtes Thema. Ungeachtet einer fundierten Ausarbeitung des Themas anhand von Fakten kann man das Niveau ihrer theoretischen Durchdringung nicht als ausreichend ansehen. Die Arbeiten aus der vorrevolutionaeren Zeit waren groesstenteils beschreibend und die Untersuchungen aus der sowjetischen Zeit vollkommen von der offiziellen klassenmaessigen Konzeption der Geschichte und mehr noch von den konkreten Einschaetzungen der politischer Fuehrer abhaengig, was die Kongruenz der Schluesse voraussetzte. Von diesen Einschaetzungen lassen sich des oefteren auch die modernen Verfasser leiten. Mit anderen Worten enthaelt die Forschung ungeachtet ziemlich umfangreicher Literatur zu diesem Thema vorwiegend die Antwort auf die Frage ?Wie war das?? als auf die Frage ?Was war das??. In dieser Situation koennen die Gestalten, die im kulturellen Gedaechtnis der Gesellschaft existieren, u. a. die Gestalten des Russisch-Japanischen Krieges, nicht nur als ein selbstaendiges Sujet von Interesse sein, sondern auch die Luecken in der Geschichtswissenschaft schliessen bzw. zur Loesung der anstehenden Aufgaben beitragen.
Obwohl der Russisch-Japanische Krieg die Ehre hat, der erste Krieg Russlands im XX. Jahrhunderts zu sein, ist das Interesse dazu sowohl in der russischen Geschichtswissenschaft als auch im oeffentlichen Bewusstsein gegenueber allen anderen Kriegskampagnen der russischen Armee bedeutend geringer. Einerseits wurde er durch einen staerkeren militaerischen Konflikt des Ersten Weltkrieges in den Schatten gestellt. Andererseits laesst sich ein geringes Interesse zum Russisch-Japanischen Krieg wohl durch seinen Misserfolg erklaeren: die Niederlagen, die negative Emotionen ausloesen, von neuem zu erleben, ist immer schwieriger als die Augenblicke des Triumphes. ?Der Russisch-Japanische Krieg wurde fuer das Land zur nationalen Schande...?, schreibt Elena S. Senjavskaja, ?und fuer solche Kriege findet sich im historischen Gedaechtnis als einer Form des oeffentlichen Bewusstseins ueblicherweise nicht viel Platz?(1). Trotzdem blieb der Russisch-Japanische Krieg im nationalen kulturellen Gedaechtnis nicht unbeachtet. Er fand in einer ganzen Reihe von Musikstuecken, seltener in literarischen und filmischen Werken, seinen kuenstlerischen Niederschlag. Sie wurden nicht alle gleichermassen von breiten OEffentlichkeitsschichten anerkannt, aber einige davon spielen auch weiterhin eine bemerkenswerte Rolle im Kulturleben der modernen russischen Gesellschaft. Wir untersuchen hauptsaechlich an ihrem Beispiel einige Besonderheiten der Herausbildung und Entwicklung von Bildern, die bisher die Rezeptionsgrundlage des Russisch-Japanischen Krieges im oeffentlichen Massenbewusstsein bildete.
Die markanteste Episode des Krieges 1904 ? 1905 war fuer die russische Gesellschaft das beruehmte Seegefecht des Panzerdeckkreuzers 1. Klasse ?Warjag? und des Kanonenbootes ?Korejez? in der Naehe des koreanischen Hafens Tschemulpo am 27. Januar 1904, welches zur eigenartigen Visitenkarte dieses Krieges wurde. Und das ist m.E. kein Zufall. Erstens waren das die ersten Feuersalven und das erste Blut der begonnenen Kriegskampagne (2) Und der Beginn und das Ende eines temporal ausgedehnten Ereignisses hinterlassen in der Regel eine tiefere Spur im oeffentlichen Gedaechtnis. Sie markieren die Grenzen des Ereignisses und sind emotional staerker aufgeladen im Vergleich zu den meistens dazwischen liegenden zahlreichen Episoden, die vor diesem Hintergrund ordinaeren oder sogar routinemaessigen
Charakter annehmen. Zweitens wurde die Heldentat der ?Warjag? und ?Korejez? Besatzungen zu einem der fuehrenden heroischen Symbole des Russisch-Japanischen Krieges, das aktiv von der amtlichen Propaganda verbreitet wurde.
Nach einer Bemerkung von V.D. Dozenko war die Reaktion in Russland auf die Ereignisse in Tschemulpo von Anfang an ambivalent. Waehrend in den Fachkreisen die Handlungen des Kapitaens zur See, V.F. Rudnev, keine Billigung fanden, wurde in den hoechsten marine-militaerischen und staatlichen Kreisen beschlossen - um den Krieg nicht mit einer Niederlage zu beginnen - die Seeschlacht von ?Warjag? und ?Korejez? fuer ?den Aufschwung der nationalen Gefuehle der Russen ? zu benutzen, um ?den Krieg gegen Japan in einen Volkskrieg umzuinterpretieren?(3). Die Massnahme zur Schaffung des notwendigen Symbols wurde mit besonderem Pomp organisiert. Die Empfangszeremonie der Mannschaften beider Schiffe, die in Russland in drei Gruppen eintrafen, fand in einigen Etappen (Odessa, Sewastopol, Moskau, St.-Petersburg) statt. Auf jeder Station hat man die Besatzungen mit grossen Ehren empfangen. Auf sie wurde ein Regen von Auszeichnungen und Belohungen vergossen: Orden vom Heiligen Georg und die St. Georg? s Kreuze fuer die unteren Dienstgrade, Erinnerungsmedaillen zu Ehren des denkwuerdigen Gefechtes, Lorbeergebinde und festlich angerichtete Tische, Postkarten, Blumenstraeusse und andere Geschenke.
In diese Zeit faellt die Entstehung des beruehmten Warjag-Liedes von R. Greinz, einem deutschen Poeten und Dramatiker. Beeindruckt von der Nachricht ueber diese Heldentat russischer Matrosen hatte er ein Gedicht verfasst, welches seinerseits seine russischen Kollegen zum UEbersetzen inspirierte. Die groesste Popularitaet unter diesen UEbersetzungen bekam die Version von E.M. Studenskaja. Nach Auffassung von E.S. Senjavskaja gehoert dieses Lied zu den drei ausgewaehlten Musikwerken, die ?als markanteste Symbole des Russisch-Japanischen Krieges im historischen Gedaechtnis des Volkes haften geblieben sind?(4). Ausserdem enthaelt nach unserer Auffassung das Warjag-Lied (Text von E.M. Studenskaja) einen Schluessel zur Wahrnehmung einer der historischen Gestalten dieses Krieges. Um die relevantesten Zuege dieser Gestalt festzustellen, wenden wir uns an den Text des Liedes.
Erstens faellt auf, dass er zu wenig konkret historische Details enthaelt. Die ?Warjag? wird hier ? da die ?Korejez? ueberhaupt nicht erwaehnt wird ? als die einzige Heldin einer vollzogenen Heldentat dargestellt. Nach der Auffassung der meisten Forscher konnte das veraltete Kanonenboot ?Korejez? nur schwache Unterstuetzung fuer den neuen Schnellkreuzer gewaehren. Und eben die ?Warjag? hatte die Hauptlast des Gefechtes auf ihren Schultern zu tragen. Dessen ungeachtet hat die ?Korejez? von Anfang an und bis zum Schluss gegen das Geschwader unter dem Kommando von Konteradmiral S. Uriu gekaempft und blieb voellig unversehrt. Es ist kein Zufall, dass ihre Offiziere und Matrosen an den zu ihren Ehren organisierten Festlichkeiten teilnahmen. Auf der gestifteten Erinnerungsmedaille wurden die Abbildungen beider Schiffe eingepraegt.
Der Liedtext berichtet wenig ueber den Handlungsort und ueber den Gegner, gegen den der russische Kreuzer anfocht. Es gibt lediglich eine metaphorische Anspielung darauf, dass der Gegner doch Japan ist (?die gelbgesichtigen Teufel?). Oberflaechlich und nicht ganz richtig sind einzelne Gefechtsepisoden benannt. Die Zeile ?Aus dem sicheren Hafen hinaus in die See, fuer das Vaterland zu sterben? legen den Gedanken nahe, dass die ?Warjag? die heimische Kueste verlaesst, um das Gefecht ?in seinem Fahrwasser? zu liefern. In der Wirklichkeit fand die Seeschlacht der ?Warjag? mit dem japanischen Geschwader auf der Reede des koreanischen Hafens Tschemulpo (heute - Intschon), der sich fuer die russischen Matrosen als ueberhaupt nicht ?sicher? und ruhig erwies, statt. Vor die Wahl gestellt, sich zu ergeben oder auf der Reede angegriffen zu werden, versuchten sie die japanische Umzingelung zu durchbrechen. Nachdem aber der Ausbruch scheiterte, haben sie ihre Schiffe in dem Hafen versenkt, damit sie nicht als Kriegsbeute dem Gegner in die Haende fallen. Vor diesem Hintergrund ist das Greinz-Original im Vergleich zur UEbersetzung von E.M. Studenskaja stellenweise historisch korrekter. Z.B. wird in der deutschen Fassung vermerkt, dass die ?Warjag? ?fern von der Heimat? ihren Tod fand. E.S. Senjavskaja macht darauf aufmerksam, dass der Wortlaut des Liedes den Eindruck ueber den Tod der ganzen Mannschaft und die Zerstoerung des Schiffes entstehen laesst, waehrend die Mannschaft jedoch auf die befreundeten auslaendischen Schiffe in Tschemulpo aufgenommen wurde. (5)
Das Fehlen oder die Verzerrung realer Details dieses Ereignisses schmaelern jedoch nicht den allgemeinen Eindruck von diesem Lied, weil sie nicht zu der Hauptaufgabe des Verfassers gehoeren. Das ?Warjag?-Lied sollte das Wesen des Geschehnisses wiedergeben, und zwar die Tatsache der Zerstoerung des russischen Kreuzers im Seegefecht gegen die feindliche UEbermacht. Diese Tatsache wurde von den Machhabenden in den Medien intensiv propagiert und erschuetterte die Repraesentanten der OEffentlichkeit in Russland und im Ausland. Im Fokus der Verfasser steht die Bereitschaft der Mannschaft, sich fuer eine bestimmte Idee aufzuopfern. Das erwaehnt u.a. auch E.S. Senjavskaja, wobei sie die Bemerkung macht, dass in diesem Werk ?der wohl nicht ganz den realen Tatsachen adaequate, aber aeusserst symbolische aufopferungsvolle Heroismus angesichts der gegnerischen UEbermacht, die Bereitschaft zu sterben, aber sich nicht zu ergeben, widergespiegelt wurde?(6). Die Idee, fuer die die Seeleute ihre Heldentat vollziehen, ist der patriotische Wunsch, zum Schutze des Vaterlandes in den Kampf zu ziehen (?wir ziehen in den Kampf? ?fuers Vaterland?), um seinen militaerischen Ruhm zu mehren (?um des Ruhmes der russischen Fahne willen? ). Dabei ist der unglueckliche Ausgang des Gefechtes in Anbetracht der gegnerischen UEbermacht, der Kapitulationsangebote und der Gnadenversprechungen keine UEberraschung (?heraus zur letzten Parade?). Der Tod der Mannschaft wird nicht als eine Tragoedie betrachtet (?Lebt wohl Kameraden, Gott mit uns, hurra!?). Der Tod im Gefecht wird leicht und mit dem Gefuehl einer ehrlich erfuellten Pflicht aufgenommen. Der Aufruf ?Hinab in die gurgelnde Tiefe!? legt im ersten Moment den Gedanken an den kollektiven Suizid nahe. Aber die Zeilen ?wer haette es gestern noch gedacht, dass er heut? schon da drunten schliefe!? reflektieren eher die Bereitschaft, das Unumgaengliche anzunehmen als das Streben nach Selbstmord(7). Als Auszeichnung fuer ihr Heldentum wird den Helden ewiges Andenken der Nachfolger zuteil sein. (?doch das rauschet auf ewig von uns, vom ?Warjag? und seinen Helden!?).
In diesem Zusammenhang scheint ein Aquarell vom Kapitaen zur See, V.V. Ignazius, interessant zu sein, der in der Tsushima-Schlacht fiel. Er widmete es der Heldentat von ?Warjag?, wovon die Aufschrift in der linken Bildecke ?Die ?Warjag? zieht in die Schlacht?(8) zeugt. Der Kreuzer ist in schneeweissem ?Tropenschutz-Anstrich? dargestellt (der Schiffsrumpf und der Deckaufbau waren weiss, die Schiffsschornsteine ? gelb mit einer schwarzen Kante am Oberrand angestrichen), den am Vorabend des Krieges alle Schiffe des 1. russischen Pazifik-Geschwaders hatten. Mit der Verschlechterung der Beziehungen zu Japan bekamen die Kriegsschiffe einen Tarnanstrich. Es ist unwahrscheinlich, dass V.V. Ignazius in seiner Position davon nichts wusste. Dessen ungeachtet zieht seine ?Warjag? so ins Gefecht, wie sie bei Kaiserbesichtigungen vor dem Krieg in Kronstadt und in Kiel ausgesehen hatte, d.h. im direkten Sinne des Wortes ?wie auf der Parade?.
Darueber hinaus hat der Verfasser nach unserer Auffassung bewusst noch eine Ungenauigkeit bei der Schiffsdarstellung gemacht, in dem er fast vollstaendig seine Schornsteine ?vergoldete? und nur eine geringere schwarze Kante am Oberrand anbrachte. Tatsaechlich hatten die Doppelbogen-Schornsteine der ?Warjag? und des schweren Panzerkreuzers ?Retvisan?, die auf der selben Werft gebaut wurden, einen gleichmaessigeren Anstrich: der Oberbogen ? schwarz, der Unterbogen ? gelb. Im Ergebnis dessen begannen die Schornsteine der ?Warjag? sowie die Luftaufnehmer der Ventilatoren, der Bugschmuck und die Geschuetzrohre (sie waren auch schwarz angestrichen) zu ?leuchten? und entsprachen demnach voll und ganz dem Wortlaut von E.M. Studenskaja. Wenn V.V. Ignazius sein Aquarell (datiert mit 1904) nicht unter dem direkten Eindruck von diesem Gedicht gemalt hatte, beherrschten ihn wenigstens im Augenblick des Schaffens aehnliche Gefuehle, die er mit einigen Pinselstrichen wiederzugeben vermochte.
Zweitens scheint die logische Konstruktion der historischen Interpretation des Russisch-Japanischen Krieges, welche die Grundlage fuer das zu analysierende Lied bildet und dank ihrer Liedform die Hauptrolle des kulturellen Gedaechtnisses an dieses Ereignis uebernehmen kann, von Interesse zu sein. Diese Konstruktion faellt ziemlich genau mit der Version zusammen, die von der offiziellen Propaganda seit dem Kriegsbeginn ausformuliert und intensiv verbreitet wurde. Nach unserer Auffassung koennen wir folgende Bestandteile ausgliedern:
- das Seegefecht der ?Warjag? sowie der uebrigen russischen Marine und des Heeres (mit anderen Worten ? der ganze Russisch-Japanische Krieg), ist der Kampf mit dem wortbruechigen ueberlegenen Gegner;
- in diesem Gefecht zeigten die russischen Matrosen ihre Tapferkeit und bewiesen, dass sie im Stande sind, Heldentaten zu vollziehen, die in den besten Traditionen ihrer Ahnen stehen;
- ja, die ?Warjag? ist zerstoert (der Krieg ist verloren), aber diese Niederlage kommt einem Sieg gleich, weil sie ein Unterpfand der baldigen Widergeburt der russischen Flotte, der Armee und ganz Russlands und ein Vorbote seiner zukuenftigen Siege ist;
Fuer dieses Wahrnehmungsmodell des Russisch-Japanischen Krieges sind also zwei Schwerpunkte kennzeichnend: einerseits ein Appell an die heldenhaften Erfahrungen der Vergangenheit, um sie auf die Ereignisse der Gegenwart zu beziehen und andererseits, die Lenkung des oeffentlichen Bewusstseins auf die militaerischen Erfolge in der Zukunft. Dank der Konzentration der Aufmerksamkeit auf diese beiden Aspekte, die in keinem direkten Zusammenhang mit den geschehenen Ereignissen standen, trat die traurige Gegenwart etwas in den Hintergrund zurueck und verwandelte sich in ein schlecht definiertes Element der logischen Konstruktion dieser Gestalt. Ihre am deutlichsten ausgepraegten Komponenten waren die Fakten der patriotischen Heldentaten, die russische Soldaten auf den Schlachtfeldern vollbrachten. Nicht zufaellig nahm der heroische Gehalt des Liedes mit jeder Variation zu. So erfuhr in einem ?Warjag?- Text, der spaetestens 1910 entstanden war, die dritte Strophe eine wesentliche Veraenderung, die dann folgenderweise aussah:
?Iz pristani vernoj my v bitvu idem
Navstretschu grosastschego ada,
Za rodinu v more otkrytom umrem,
Gde gdet nas bessmerta nagrada!?

Anzumerken ist, dass der Ersatz von zwei Zeilen grundlegend den Sinn des Gedichtes veraendert hat. Wenn es frueher in diesem Gedicht um die Entscheidung ging, sich dem ungleichen Kampf zu stellen, um die Ehre der Heimat zu schuetzen, selbst um den Preis des eigenen Lebens, so wird nun die Handlung in erster Linie von der Verheissung der Unsterblichkeit motiviert. Die UEberzeugung der Helden, dass sie diese ?Auszeichnung? bekommen, gewinnen sie bereits vor dem Beginn der Schlacht. Was liegt dieser UEberzeugung zu Grunde? Nach unserer Auffassung ist es nichts anderes als die Entscheidung (also keine Bereitschaft wie frueher) zu sterben. Das Schiff zieht diesmal nicht in den Kampf, sondern in den Tod, und seine Zerstoerung wird somit die Gewaehr und die unabdingbare Bedingung fuer den Ruhmeserwerb. In diesem Fall kann der Appell, den die vorletzte Strophe enthaelt (?Hinab in die gurgelnde Tiefe?), anders interpretiert werden. Hier kann der praktisch suizidale Gedanke weitergesponnen werden, der in der dritten Strophe praesent ist. Kennzeichnend ist, dass in einigen Liederbuechern das Gedicht von E.M. Studenskaja ?Pamati Varaga - Zum Andenken an die ?Warjag? den Namen ?Gibel` ?Varjaga? ? ?Der Untergang der ?Warjag?(9) traegt.
Diese Korrektur der dritten Strophe fuehrte zum Verschwinden der Definition des Feindes, die in die naechste Strophe verlagert wurde, wobei auch die ganze Bestimmtheit verloren ging. Die ?Warjag? wird im Ergebnis dessen ?zur Zielscheibe der tueckischen Feinde?(10). Die Geschichte eines der ersten Gefechte im Russisch-Japanischen Krieg wird also immer abstrakter und strebt danach, sich in ein mythisches Symbol zu verwandeln, welches soweit ausgereift war, um in den Sujets angewandt zu werden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Ereignissen 1904 ? 1905 stehen, jedoch mit ihnen eine ideelle oder inhaltliche Verbindung hatten. Das groesste Potenzial verbirgt der Mythos, der sich immer mehr von der realen Wirklichkeit distanziert, nicht so sehr fuer die historische Identifikation einer Person, sondern (bei seiner Anwendung) fuer die Mobilisierung oeffentlicher Bemuehungen heute und morgen und kann aus diesem Grunde von besonderem Interesse fuer die propagandistische Maschine sein.
Mit dem Beginn des Russisch-Japanischen Krieges entstand noch ein ?Warjag?-Lied, das dank seiner ersten Zeile als ?Plestschut cholodnye volny? (?Die kalten Wellen rauschen?) bekannt ist. Ungeachtet dessen, dass der Versautor J. Repninskij sehr wahrscheinlich von der selben Zeitungsnotiz wie auch R. Greinz von den Ereignissen im Fernen Osten Russlands inspiriert wurde, unterscheiden sich der Inhalt und der Sinn dieser Werke grundlegend voneinander(11). Fuer J. Repninskij ist es kennzeichnend, dass er faktisches Material eingehender behandelte. Nach der korrekten Bemerkung von J. Birjukow konnte er ?unter Bezugnahme auf karge Informationen, die zu diesem Zeitpunkt in der Presse veroeffentlicht wurden, im Gedicht die wichtigsten Details der ungleichen Schlacht der ?Warjag? und der ?Korejez? gegen das japanische Geschwader reproduzieren?(12). Tatsaechlich ist im Vergleich zum Werk von R. Greinz der Text des Liedes ?Plestschut cholodnye volny? voll von Einzelheiten dieser Episode des Russisch-Japanischen Krieges gespickt. Sie enthalten z.B. die genauen Angaben ueber den Handlungsort, etwa das Gelbe Meer, das die Westkueste Koreas mit dem Hafen Tschemulpo umspuelt, aus dem die vom japanischen Geschwader blockierten russischen Schiffe auszubrechen versuchten. Neben der ?Warjag? finden wir hier eine Erwaehnung von ihrer treuen Kampfgefaehrtin in diesem Seegefecht, dem Kanonenboot der ?Korejez?.
Der Kreuzer ?Warjag? wurde im Lied berechtigter Weise ?stolze Schoene? genannt. Er hat das Kapitulationsangebot des Gegners abgelehnt und ging mit einer ?ueberlegenen Macht? in den Kampf. Nicht zufaellig hat der Verfasser das Epitheton ?schoen? verwendet. Nach Aussage von Zeitgenossen und Expertenmeinungen wurde die ?Warjag?, die in Philadelphia von der USA-amerikanischen Unternehmung ?Cramp? im Auftrag der russischen Regierung gebaut worden war, fuer eines der schoensten Schiffe der russischen Flotte gehalten.
Die fuer die Charakteristik des Gegners benutzten Wortverbindungen ?ueberlegene Macht?, ?die Meeresriesen? machen darauf aufmerksam, dass die japanischen Schiffe ueber die ?Warjag? und die ?Korejez? nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Ueberlegenheit hatten(13).
Das Lied spiegelt lakonisch, aber (gleichzeitig wahrheitsgetreu ) die Etappen und die relevantesten Details der Schlacht wieder. Die Auseinandersetzung wird als ein relativ schnell beendetes Feuergefecht (von etwa einer Stunde Dauer) geschildert. Die Warjag ist in der ersten Phase der Kampfhandlungen aktiver. Waehrend aber seine Geschuetze beschaedigt werden, (?seltener wird dem Gegner von der Warjag her eine geharnischte Antwort gegeben??) und der feindliche Beschuss intensiver wird (?von den feindlichen Meeresriesen ertoenen oefters die Schuesse?), wird der Ausgang der Schlacht nun offensichtlich.
Der Autor konnte faktisch solche Details des Gefechtes widerspiegeln wie die Vernichtung der beiden an den Marsen angeordneten Entfernungsmesser der ?Warjag?, die Beschaedigung seiner Takelage (?der hohe Mast ist abgeschossen?). Er hat auch zahlreiche Durchschuesse am Schiffsrumpf festgestellt (?ihre Panzerung ist durchgeschossen?), darunter auch den schicksalshaften Durchschuss unter der Backbord-Wasserlinie, der eine schnelle Wasserzufuhr ins Schiffsinnere zu Folge hatte.
Des Weiteren wurden solche Momente wie stuermisches Feuer japanischer Schnellfeuergeschuetze festgehalten, das von einigen Schlachtschiffen gleichzeitig kam. Es liess das Meer aufschaeumen und seine Einschlaege riefen einen Feuerbrand hervor. Deshalb musste die Mannschaft gleichzeitig gegen Feuerbrand (?Feuer?) und gegen das ins Schiff eindringende Aussenbordwasser (?Meer?) kaempfen.
Dem Autor sind solche Einzelheiten wie der Untergang der ?Warjag? durch die Versenkung und der ?Korejez? durch die Explosion nicht entgangen.
Die Experten betonen ein hohes kuenstlerisches Niveau der Verse von J. Repninskij. ?Er hat ein erstaunlich harmonisch praegnantes Bild der aufgeregt hin und her fliegenden weissen Seemoewen eingefuehrt?, schreibt darueber J.Birjukov(14). Er betont auch eine besondere emotionale Ladung, die dieses unvergleichlich schoene Bild enthaelt, geht aber nicht weiter darauf ein. Das ist aber aeusserst wichtig, weil nach unserer Auffassung darin noch ein anderer prinzipieller Unterschied des Liedes ? Plestschut cholodnye volny ? vom ?Warjg-Lied? besteht.
Dieser Unterschied ist darin zu sehen, dass der Untergang der russischen Schiffe vor allem als echte Tragoedie und unersaetzlicher Verlust empfunden wird. Davon zeugt auch das Geschrei der Moewen, in die nach der UEberlieferung die Seelen der umgekommenen Matrosen uebersiedeln (?diese traurige Nachricht moegen die Moewen der ganzen Welt mitteilen?). Die dramatische Spannung dieser Situation wird durch das Fehlen wichtiger Entschuldigungsmotive fuer die Niederlage verstaerkt. Die ?Warjag? blieb standhaft vor dem ueberlegenen Feind. Sie hat die Erfordernisse der Dienstvorschrift erfuellt und die Ehre des Landes nicht befleckt (?in der Schlacht haben wir vor dem Feind nicht kapituliert und sind fuer die russische Ehre gefallen?). Wie konnte es aber dazu kommen, dass sich die russischen Schiffe in so einer ausweglosen Lage befinden konnten, worin besteht ein taktischer, strategischer oder politischer Nutzen dieses Verlustes? Es gibt keine Antworten auf diese Fragen und der Tod der Seeleute in der Ferne von der Heimat sieht nicht ganz vertretbar aus. Deshalb ist das Gedicht und die damit im Einklang stehende volkstuemliche Melodie mit Trauer erfuellt und der Moewenschrei verkuendet diesen Schwermut (?ihr Schrei ist der Trauer voll??).
Auf solche Weise besingt das Lied ? Plestschut cholodnye volny? nicht das Heldentum, sondern die Dramatik der geschehenen Ereignisse, die nicht als eine ploetzliche Moeglichkeit geschildert wird, sich den Ruhm zu erwerben, sondern eher als eine notgedrungene Notwendigkeit, die Soldatenpflicht zu erfuellen und sowohl die eigene Ehre als auch die der Heimat in einem fernen und fremden Land in Schutz zu nehmen. Fuer dieses Rezeptionsmodell des Bildes des Russisch-Japanischen Krieges ist generell die ausfuehrliche und genaue Wiedergabe der Fakten kennzeichnend, die nicht verheimlicht werden, weil die Verlierer keine Schuld verspueren ? sie haben ihre Pflicht bis zum Schluss erfuellt und sie haben ein ruhiges Gewissen. Das erlaubt, die realen Ausmasse der Katastrophe zu spueren, die so schwerwiegend ist, dass ihre Ergebnisse als offensichtliche Niederlage und nicht als Prolog der kuenftigen Siege wahrgenommen werden. Von daher ruehrt der entsprechende emotionale Background dieser Gestalt, der nagender Kummer zu Grunde liegt, der Kummer um die Kriegsopfer, die bei weitem nicht vertretbar und sogar sinnlos sind, weil die bewahrte Ehre ohne spuerbare Folgen fuer die Erklaerung der Zweckmaessigkeit der Opfer unzureichend zu sein scheint.
Die beiden bezeichneten Rezeptionsmodelle des Bildes des Russisch-Japanischen Krieges im oeffentlichen Bewusstsein hatten eine Fortsetzung auch in anderen Kunstwerken, darunter auch in musikalischen Werken. Die Schaffung des Mythos ueber den Zerstoerer ?Steregustschij?, der in der Schlacht mit dem ueberlegenen Gegner am 26. Februar 1904 unterging, diente z.B. der Fortfuehrung der Linie, die die Aufmerksamkeit auf die markantesten Episoden der im ganzen misslungenen Kampagne lenkte. Die Konstruktion, der Inhalt und die anschliessende Realisation dieses Mythos sind mit dem Mythos ueber ?Warjag? und ?Korejez? identisch. Der Zerstoerer ist in einer ungleichen Schlacht gegen vier japanische Zerstoerer zu Grunde gegangen, nachdem er nach der Erledigung seiner Gefechtsaufgabe auf der Fahrt nach Port Arthur war. Wie auch die ?Warjag? fuehrte die ?Steregustschij? den Kampf bis zur letzten Moeglichkeit, soweit die Kampfressourcen reichten(15). Erst anschliessend bestiegen die Japaner das zerstoerte russische Schiff und versuchten es ins Schlepptau als Kriegsbeute zu nehmen. Als dieser Versuch gescheitert war, verliessen sie das halbzerstoerte Schiff, das vor dem Eintreffen einer aus Port Arthur geschickten Hilfe versank. Bis jetzt sind der Verfasser einer Pressenotiz und seine Informationsquellen, die besagten, dass die ?Steregustschij? nicht versank, sondern von den zwei am Leben gebliebenen Matrosen versenkt wurde, die dabei mit dem Schiff umkamen, unbekannt. Zum Andenken an dieses Ereignis wurden viele Kunstwerke geschaffen. Das beruehmteste davon ist wohl das ?Steregustschij? -Denkmal von K.V. Isenberg in Sankt-Petersburg, welches zwei unbekannte Helden darstellt. Heute gilt der utopische Gehalt dieser Geschichte als bewiesen. Noch vor der Einweihung des Denkmals war dies bekannt geworden, aber es wurde beschlossen, diese Information nicht an die grosse Glocke zu haengen, weil der Mythos ueber die ?Steregustschij? bereits im oeffentlichen Massenbewusstsein verankert war. Er fand seinen kuenstlerischen Niederschlag in dem Lied ?Pomiluj nas, Bog vsemogustschij (?Erbarme Dich unser, allmaechtiger Herr?), welches dieser Heldentat gewidmet war. Nach ihrem Gehalt und der emotionalen Ladung stimmt das Lied in vieler Beziehung mit dem ?Warjag?-Lied zu Versen von E.M. Studenskaja ueberein. Der Unterschied besteht darin, dass es in einem Fall ein Marsch und in einem anderen ? ein langsames und inniges Lied ist, das in Form eines Gebetes gedichtet wurde. Das Lied von der ?Steregustschij? uebersteigt das ?Warjag?-Lied durch die dramatische Spannung. Hier wird zwei Mal der Tod der russischen Seeleute ?fern von der lieben Heimat? unterstrichen. Das Lied enthaelt das Bild der Moewen, die ?ihre Runden drehen und mit Todestrauer erfuellt sind?. Gleichzeitig wird dem pessimistischen Anfang des Liedes das optimistische Ende gegenuebergestellt, welches sicherlich dominiert. Der Aufruf des Schiffskapitaens zur Selbstaufopferung steht im Einklang mit dem von der ?Warjag? durch seine heldenhafte Todesverachtung und sein klares und bewusstes Verstaendnis des Todes: ??wollen wir nun auch fuer den Zaren sterben!?. Und die Mannschaft akzeptiert den Tod ?ohne Murren, sogar ohne Stoehnen?. Die Moewen muessen der Mannschaft ?Ewiges Andenken? singen, aber das ist die letzte traurige Note des Liedes. Sein Schluss und die allgemeine Einschaetzung der vollzogenen Geschehnisse sind aeusserst optimistisch und zukunftsweisend: ?Darin besteht die Macht des kommenden Russlands??.
Das oben erwaehnte Lied ? Plestschut cholodnye volny? fand seine Fortsetzung in einer ganzen Reihe von hervorragenden Musikwerken. Darunter ist der Walzer eines Verteidigers von Port Arthur, des Kapellmeisters des 26. Ost-Sibirischen Regiments, E.M. Dreisin, ?Berjoska? zu erwaehnen. Der Walzer wurde in der Gefangenschaft komponiert, wo der Komponist nach dem Fall der Festung war und widerspiegelt das tiefe Heimweh eines Menschen, der in der Unfreiheit in einem fremden und feindlichen Land schmachten musste.
Eine weitere unsterbliche Fortsetzung wurde der Walzer des Militaerkapellmeisters des 214. Mokschany-Regiments I.A. Schatrov ?Na sopkah Mantschurii? (?Auf den Huegeln der Mandschurei ?), der die zahlreichen Opfer des Russisch-Japanischen Krieges beweinte. Der Text, der von S.G. Petrov geschrieben wurde, schildert das Bild riesiger Opfer der russischen Armee. Die Worte ?Weiss schimmern die Grabkreuze? in Kombination mit dem urspruenglichen Namen des Werkes ? Mokschanskij polk na sopkah Mantschurii? legen den Gedanken nahe, dass das ganze Regiment in den Graebern auf fremdem Boden seine letzte Ruhstaette gefunden hat ?Soll Gaoljan uns in den Traum wiegen?. Die Soldaten sind als Helden gestorben, aber ihr Tod bringt keine Befriedigung. Im Gegenteil, der Walzer ist von der Trauer durchdrungen, die nicht nur familiaeren (?die liebe Mutter und die junge Witwe weinen ?), sondern auch den gesamtnationalen Charakter traegt (?alle weinen wie eine Person?).
Das Lied ?Raskinulos' more schiroko? hat eine ereignisreiche Vorgeschichte vorzuweisen. Nach einer Bemerkung von J. Birjukov und eben zu Zeiten des Russisch-Japanischen Krieges fand sie eine ?weite Verbreitung im ganzen Volk neben dem ?Warjag?-Lied?(16). J.Birjukov war des weiteren der Meinung, dass diese beiden Lieder ?intonatorisch einander verwandt sind ?. Nach unserer Auffassung stimmt das nicht. Im Lied ?Raskinulos' more schiroko? werden sehr wahrheitsgetreu das Stimmungsbild und die Strapazen einer der wichtigsten Episoden des Russisch-Japanischen Krieges reflektiert, und zwar der UEberfahrt des Zweiten Pazifischen Geschwaders unter der Flagge von Vizeadmiral Z.P. Rogdestvenskij aus der Ostsee nach dem fernoestlichen Wladiwostok. Einen bedeutenden Teil der Strecke musste das Geschwader in den suedlichen Breiten in unertraeglicher Hitze zuruecklegen. Z.P. Rogdestvenskij , der dem in Port Arthur blockierten Ersten Pazifischen Geschwader zu Hilfe eilte, konnte sich keine laengere Erholung leisten. In Folge dessen wurde die UEberfahrt unter den schwierigsten Bedingungen gemacht. Besonders grosse Strapazen entfielen auf die Mannschaften im Schiffsraum: Mechaniker, Heizer und Maschinisten. Viele, darunter auch die Offiziere, erlagen den Strapazen, und wie die Erinnerungen der Teilnehmer verlautbaren, hatte man sich bald an den Abschied von Verstorbenen gewoehnt, die gemaess maritimen Traditionen im Meer bestattet wurden. ?Auf dem Geschwader gibt es oft Beerdigungen??, schrieb der Oberschiffsarzt auf dem Kreuzer ?Aurora?, V.S. Kravtschenko, in sein Tagebuch, ?die Beerdigungen werden von einem bekannten Zeremoniell begleitet. Nach dem Kommando ? alle Mann an Deck! ? treten die Offiziere und die Matrosen in Reihe und Glied an. Ein Trauer-Torpedoboot legt vom Hospitalschiff ?Orjel? ab und setzt sich langsam in Bewegung. Am Achterdeck liegt die Leiche, die in ein Segeltuch eingenaeht und mit Gruen und Blumen geschmueckt ist. Das Torpedoboot faehrt durch das Geschwader hindurch, entlang der Schiffsfront, herzzerreissend langsam. Vom Torpedoboot her ist der Trauergesang zu hoeren, und auf den Schiffen stimmt man mit dessen Herannahen ?Kol' slaven? an. Das Torpedoboot sticht in die See und verschwindet in der Ferne; es ertoent ein Kanonenschuss ? die Leiche ist dem Wasser uebergeben. Das traurige Zeremoniell hat merklich alle beeindruckt. Etwa 18 Personen sind bereits auf solche Weise bestattet?(17). Diese Tagebucheintragungen enthalten ueberraschende Anklaenge an die Strophen des Liedes ?Raskinulos' more schiroko?:
K nogam privjasali emu kolosnik,
I kojkoju trup obernuli,
Prischel korabel`nyj svjastschennik- starik,
I slesy u mnogih sverknuli.

Dosku pripodnjaly drogastschej rukoj,
I v savane telo skol`snulo,
V putschine glubokoj, bezvestnoj, morskoj
Naveki, plesnuv, utonulo.

Die Geschwader-Besatzung hatte nicht nur koerperliche, sondern auch psychologische Leiden zu ertragen. Nach Augenzeugenberichten herrschte im Mannschaftsraum und besonders in der Messe duestere Stimmung (?es sind am Deck keine Lieder zu hoeren?). Viele glaubten nicht an den Erfolg des bevorstehenden Gefechtes und sahen es als ihre Hauptaufgabe an, ihr Leben nach Moeglichkeit teurer zu verkaufen. Die Reflexe dieser Stimmungslage werden auch im Lied ?Naprasno staruschka gdet syna domoj? (?Umsonst wartet die alte Mutter auf ihren Sohn?) widergespiegelt. Auf solche Weise geben die Lieder ?Warjag? und ?Raskinulos' more schiroko? unterschiedliche Episoden wieder. Sie haben unterschiedlichen inhaltlichen Gehalt und unterschiedliche emotionale Themen, was den Schluss nahe legt, dass sie zu zwei verschiedenen oben bezeichneten Gestalten des Russisch-Japanischen Krieges gehoeren.
Zur Gruppe der Lieder, die einer Analyse unterzogen wurden, gehoert auch ohne Zweifel das Volkslied ?Ne vejtesja, tschaiki, nad morem?. Das Lied hat eine grosse Anzahl an Varianten, jedoch ordnet es J. Birjukov sicher in die Zeit eben des Russisch-Japanischen Krieges ein. Er stellt auch fest, dass dieses Lied dem Lied ? Plestschut cholodnye volny? verwandt ist und hier in erster Linie den wiederkehrenden Gestalten der weissen Moewen(18). Wir unsererseits wollen der emotionalen Gesamtladung dieser Lieder Aufmerksamkeit schenken. Die Moewen fungieren darin als Unheilsboten: ?Ne vejtesja, tschaiki, nad morem?Snesite petschalnuju vest`?(19). Auf solche Weise tritt hier als Leitmotiv die tragische Konfliktloesung der untersuchten Ereignisse auf: in einem Fall ? der Untergang der russischen Schiffe im Gelben Meer bei der Schlacht mit ueberlegenem Gegner, die Vernichtung eines Heertrupps in der Huegel- und Sumpflandschaft der fernen Mandschurei ? in einem anderen Fall.
Es taucht eine berechtigte Frage nach dem Zusammenwirken der beiden untersuchten Modelle der Gestalten des Russisch-Japanischen Krieges im oeffentlichen Bewusstsein auf. Die analysierten Werke geben vor allem Anlass, von ihrer parallelen und selbstaendigen Existenz zu sprechen. Die Verteilung unserer willkuerlich ausgewaehlten populaeren Lieder vom Russisch-Japanischen Krieg legt die Annahme nahe, dass am Anfang des XX. Jahrhunderts nicht die ?heroische?, sondern die ?tragische? Version der Ereignisse 1904 ? 1905 populaerer war. Dieses Ergebnis koennen wir wie folgt erklaeren. Die erste Version wurde wahrscheinlich von den Schichten getragen, die am wenigsten mit dem Krieg verbunden waren. Diese Schichten, darunter befanden sich u.a. auch die Vertreter der Behoerden und der Bildungsschichten, standen zahlenmaessig bedeutend den Militaers sowie den sozialen Gruppen nach, die die groessten Rekrutierungsquellen der Streitkraefte abgaben, und zwar die Bauern und die Arbeiter. Eben auf sie entfielen die meisten Muehen und Strapazen dieser Kampagne und ihrer negativen Folgen.
Als Beispiel schauen wir uns diesmal ein literarisches Werk an, eine unveroeffentlichte Erzaehlung des Kapitaenleutnants A.N. Stscheglov. Der Verfasser hatte sich nie an Kriegshandlungen beteiligt, konnte jedoch mit viel Anteilnahme Schmerz und Leiden anderer Menschen nachempfinden. Besonders tiefe seelische Regungen empfand er in Folge der Vernichtung der Flotte und der Niederschlagung des Heeres im Russisch-Japanischen Krieg. In der Erzaehlung ?Dve tajny? - dt. ?Zwei Geheimnisse? eilte A.N. Stscheglov seiner Zeit voraus und machte auf die sozialen Folgen des Krieges, auf die Einwirkung moderner Kriegshandlungen auf den psychologischen Zustand einer Persoenlichkeit aufmerksam. Die Fabel der Erzaehlung ist relativ einfach. Der Hauptheld beobachtet waehrend einer UEberseefahrt auf einem Schiff von Konstantinopel nach Odessa ein Paar nicht mehr junger Leute, deren Manieren die Vertreter der ?besseren Schichten? verraten lassen. Er sieht sie sich an und stellt eine Idylle, gegenseitige Liebe, Vertrauen, Treue als Ausdruck eines Sakraments des Geheimnisses fest, welches der Herr dem Menschen offenbarte. Gleichzeitig wird er einer Militaerkapelle des Modlinsk-Infanterie-Regiments gewahr, welches sich bei Mukden hervorragend geschlagen hat. Diese Kapelle stand unter der Leitung eines grauhaarigen, mit vielen Medaillen dekorierten Hauptmanns, der waehrend der ganzen Schiffsreise diverse Musikstuecke spielen liess. Nach seiner Ankunft in Odessa erfuhr er, dass diese Eheleute die Eltern des an Schwindsucht in Kairo verstorbenen erwachsenen Sohnes waren, dessen Leiche sich auf demselben Schiff befand. Die Kapelle spielte sogar bei der Trauerzeremonie laut Musik, weil der Hauptmann ? der Chef der Kapelle, noch nicht einmal eine kleine Pause machen wollte. ?Empoert von dieser hartherzigen Tat?, erzaehlt der Hauptheld, ? konnte ich im Bewusstsein meiner vollen Machtlosigkeit lediglich an die arme Frau herangehen, schweigend ihre Hand kuessen und mich tief vor dem Ehemann verbeugen. Die anderen Schiffspassagiere, die nun darueber informiert wurden, beeilten sich, ihnen Mitleid auszusprechen. Am meisten aber waren die auslaendischen Fahrgaeste empoert. Sie sahen sich mit UEberraschung diesen schrecklichen, raetselhaften russischen Barbaren, diesen ruecksichtslosen Offizier an, der hier in einiger Entfernung stand und finster in die Ferne starrte als wuesste er ein Geheimnis. Es schien, als bemerkte er uns nicht, wobei wir um ihn herum standen. Er bemerkte das Leid dieser Mutter nicht; was geht es ihn an, der in den Schlachten grau geworden war, die Traenen dieser Mutter, dieser einzigen Mutter, wo in seinen Ohren das Schluchzen von Hunderttausenden Muettern ertoente, die ihre Soehne beweinten, die sinnlos auf den Feldern der fernen Mandschurei gefallen waren ?(20). So hat A.N. Stscheglov seine Erzaehlung beendet(21).
Was die erste ?heroische? Gestalt des Russisch-Japanischen Krieg angeht, die in den Werken von ?Warjag? und ?Steregustschij? zum Ausdruck kommt, so entfernt sie sich nach unserer Meinung immer weiter von den Realitaeten 1904 ? 1905 und verwandelt sich in ein universelles patriotisches Symbol, welches in verschiedenen historischen Situationen Verwendung finden kann.
In der sowjetischen Zeit wurden sowohl das ?tragische? als auch das ?heroische? Modell angewandt, jedoch erfolgte die konkrete Umsetzung dieser Modelle sehr eigentuemlich. Ein anschauliches Beispiel koennte der Film ?Krejser Warjag? - dt. ?Kreuzer Warjag? (Regie V. Ejsymont, Produktion ? das M.Gorki - Film-Studio, Version 1963 ) geben. Die Komponisten N. Krjukov und G. Teplizkij setzten bei der musikalischen Bearbeitung beide uns bekannte Lieder ein, die dem legendaeren Kreuzer gewidmet waren. Wenn waehrend des ganzen Films, der die Umstaende rekonstruiert, die die ?Warjag? und die ?Korjez? gezwungen haben, das Gefecht gegen die gegnerische UEbermacht anzunehmen, zu Beginn des Gefechtes als musikalisches Leitmotiv die Musik von ?Plestschut cholodnye volny ? erklingt, so wird das tragische Finale des Unterganges der russischen Schiffe von der bravouroesen Marschmusik von ?Warjag? zu den Versen von E.M. Studenskaja begleitet. Auf solche Weise ist die Grundidee des Films die Evolution seiner Fabel von dem unruhigen und pessimistischen Anfang bis zum optimistischen, wenn auch tragischem Ende. Mit anderen Worten wird die Geschichte des Seegefechtes bei Tschemulpo von den Filmautoren als eine ?optimistische? Tragoedie interpretiert ? ein Muster, das in der sowjetischen Kunst, einschliesslich Film, Literatur, darstellende Kunstgattungen und Musik, weit verbreitet war. Dies bestaetigt der Aufbau der Ansprache des Kommandeurs des Kreuzers V.F. Rudnjev an die Schiffsbesatzung. Der Beginn enthaelt den Appell, ?unsere russischen Leben teuerer zu verkaufen und dem Gegner den groessten Schaden zuzufuegen?. Dann wird der Gedanke hervorgehoben, dass ?so zu sterben, wie wir unter dieser Andreaskreuzflagge sterben, bedeutet, nie zu sterben?. Die Ansprache wird mit den Worten ?Auf, zum Kampf und Ruhm! Hurra!? abgeschlossen.
Solche Kombination von zwei verschiedenen Standpunkten ueber die Auslegung von Ereignissen 1904 ? 1905 wurde im Kontext der neuen ideologischen Basis und der entsprechenden historiografischen Tradition moeglich, deren Kern ein bekanntes Leninsches Zitat bildete: ?Nicht das russische Volk, sondern die russische Autokratie begann diesen Kolonialkrieg, der sich in den Krieg der neuen und der alten buergerlichen Welt verwandelte. Nicht das russische Volk, sondern die russische Autokratie erlitt eine beschaemende Niederlage. Das russische Volk hat von der Niederlage der Autokratie gewonnen ?(22). Das klassenmaessige Herangehen liess die Frage nach dem Schuldigen an der Niederlage aufkommen, was zur Konfrontation des klassenmaessigen fremden Offizierskorps der russischen Armee mit den unteren Dienstraengen fuehrte, die sich aus den Vertretern der werktaetigen Massen rekrutierten. Mit diesem Standpunkt werden wir u.a. in den Werken von A.S. Novikov-Priboj und A.N. Stepanov konfrontiert(23). Er foerderte auch die Sinnverschiebung bei einigen frueher geschaffenen Musikstuecken zum Thema des Russisch-Japanischen Krieges. Das kann sich z.B. auf das Lied ?Raskinulos' more schiroko? beziehen. Nach glaenzender Darbietung von L.O. Utesov wird das Lied zum Symbol ?eines schwierigen Matrosenschicksals? bei der vorrevolutionaeren Marine.
Gleichzeitig wuerden wir jedoch nicht behaupten, dass der unternommene Versuch zu synthetisieren bzw. logisch miteinander zwei existierende Gestalten des Russisch-Japanischen Krieges zu verknuepfen, in vollem Masse gelungen ist. Um einen Beweis zu erbringen, schauen wir uns einen Auszug aus dem Roman des sowjetischen Science-fiction-Autors I.A. Efremov ?Lezvije britvy? an. In einem Gespraech bringen seine Helden die Gedanken darueber zum Ausdruck, dass ? die Leute die Pseudo-Arbeiterlieder mit flachen Gefuehlen, die angeblich fuer die Arbeiterklasse typisch sind?, die Lieder mit munterem Geschrei, mit der Rhythmik eines Gassenhauers, die quasi lustige Lieder heissen, (nicht moegen) ?, weil ?diese Lieder die Zuege des russischen Charakters nicht reflektieren ?. Dem russischen Charakter sind die Lieder eigen, die ?der Ruhe und Geduldigkeit des Volkes entsprechen wuerden, die in diesen melancholischen Weisen psychologische Entspannung herbeifuehren wuerden?. Die Romanhelden werfen die Frage auf: ??Wem nutzt es, die alten Volkslieder durch ein optimistisches Ende zu entstellen?... ?. Und sie selber finden diesbezueglich eine Erklaerung als Erbe einer juengeren Vergangenheit (der Roman wurde Ende der Sechziger Anfang der Siebziger Jahre geschrieben ), ?als man keine Melancholie zuliess?. Als ein Beispiel eines echten volkstuemlichen Liedes, ?welches schwermuetig und troestend in schwierigen Augenblicken sei? und das sich schlecht in den Rahmen bestehender ideeller Orientierungszeichen einfuegt, nennt ein Romanheld das ?Warjag?-Lied zu Versen von J. Repninskij. ?Sie werden lachen, wenn ich sage, dass es das ?Warjag?-Lied ist, nicht jedoch das Lied, wo die Anker gelichtet werden, sondern das Lied, wo die kalten Wellen rauschen ?, sagt er(24).
Des Weiteren gesteht er, dass die Liebe zu diesem Lied nicht seinen aesthetischen Neigungen zu verdanken war, sondern durch sein aufrichtiges Interesse fuer die Ereignisse 1904 ? 1905 entstand. Dieses Interesse wurde bereits in der Kindheit unter Eindruck der Materialien der vorrevolutionaeren Zeitschrift ?Niva? erweckt. ?Das Interesse fuer die Operationen unserer Flotte im Krieg gegen Japan?, erlaeutert der junge Mann, ?lebt bei mir weiter und die Beispiele des erstaunlichen Heldentums unserer Leute in aussichtslosen Schlachten geben mir in schwierigen Augenblicken Halt?(25).
Diese Zeilen aus einem sowjetischen Abenteuerroman erbringen nach unserer Auffassung einen indirekten Beweis dafuer, welches Modell von zwei sich bereits am Anfang des Russisch-Japanischen Krieges abzeichnenden Modellen der bildlichen Kriegswahrnehmung in der Kultur des vorrevolutionaeren Russlands das fuehrende Modell war und warum. Die Zeitschrift ?Niva? war eine der populaersten literarisch-informativen Ausgaben in Russland zu Beginn des XX. Jahrhunderts. Neben den kuenstlerischen Werken machte die Zeitschrift die Leser mit den wichtigsten Ereignissen aus den gesellschaftlichen und politischen Bereichen bekannt. Die Zeitschrift hatte zahlreiche Illustrationen, Zeichnungen und Photos. Sie hat auch die wichtigsten staatlichen Dokumente veroeffentlicht. Gleich seit dem Beginn des Krieges gegen Japan hellte die ?Niva? ausfuehrlich dessen Verlauf auf und benutzte dazu die Informationen der eigenen Berichterstatter vor Ort. Es war kein Zufall, dass die ?Niva? - Ausgaben auch spaeter dank der wertvollen und wahrheitsgetreuen Information ueber jede Kriegsepisode fuer die Leser von Interesse war. Ein Ergebnis dessen war, dass die zahlreichen heroischen und gleichzeitig fatal aussichtslosen Episoden der militaerischen Auseinandersetzungen sich zu einem dramatischen und nicht zu einem heroischen Bild zusammenfuegten, dessen markantester Ausdruck die regelmaessig veroeffentlichten photographischen Namensverzeichnisse der nicht auszugleichenden Verluste der russischen Armee waren. Nicht mal die emotional starken Musikwerke wie das ?Warjag?-Lied zu Versen von E.M. Studenskaja vermochten dieser traurigen Galerie Optimismus zu verschaffen.
Der Roman von I.A. Efremov beweist u.a., dass ungeachtet des Verwertungsversuches der beiden Gestalten des Russisch-Japanischen Krieges in der Sowjetzeit im Rahmen eines einheitlichen ideologischen Schemas auf der Grundlage der Klassentheorie sie ihre Suffizienz bewahren konnten. Die Originalitaet auf Grund der urspruenglichen logischen Vollkommenheit der ausgewerteten Bilder gewaehrte die Moeglichkeit fuer ihre weitere autarke Existenz. Das hat V.S. Pikul`in seinen Werken veranschaulicht(26). In seiner Auslegung entbehrt der Russisch-Japanische Krieg jeglichen Optimismus und alle Sujetlinien finden ein dramatisches Ende.
Auf solche Weise koennen wir von der Existenz von zwei grundsaetzlich unterschiedlichen Bildern des Russisch-Japanischen Krieges im kulturellen Gedaechtnis der russischen Gesellschaft sprechen. Die Herausbildung eines der Bilder vollzog sich unter Unterstuetzung und bei direkter Beteiligung offizieller Propaganda anhand offiziell anerkannter Symbole. Dieser Herausbildung lag die Heroisierung der markantesten Episoden der militaerischen Selbstlosigkeit zu Grunde, die in Folge des staerksten psychologischen Eindruckes in den Hintergrund praktische (taktische, strategische) Ergebnisse dieser Heldentaten stellten, die vom Standpunkt der letzteren aus nicht anders als militaerische Niederlagen ausgewertet werden koennen. Die zusammengetragenen Episoden sollten die Kontinuitaet der heldenhaften Traditionen der Vergangenheit herstellen, das Gefuehl des Stolzes bei den Zeitgenossen und den Nachfolgern, den Rachewunsch und das Streben hervorrufen, wuerdige Bewahrer und Fortsetzer des Ahnenruhmes zu sein.
Die Schoepfer und die Traeger des zweiten Bildes waren vor allem die unmittelbaren Kriegsteilnehmer, aber zu ihren Anhaengern wurden unter Beruecksichtigung der neuen Prinzipien der Armeeaufstellung und der Groesse der Kampagne 1904 ? 1905 praktisch breite Bevoelkerungsschichten. Nicht zufaellig steht im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit der von der Gesellschaft umstrittene Wert des Krieges und natuerlich seine Ergebnisse. Ausgehend von diesen Kriterien wurde der Russisch-Japanische Krieg als eine echte Tragoedie wegen der Unklarheit seiner Ziele und der Sinnlosigkeit zahlreicher Opfer wahrgenommen.
Die Aktualitaet und die Resistenz dieses Bildes wurde nach unserer Meinung durch folgende Faktoren bestimmt: erstens ist es eine starke emotionale Ladung, die durch den Schock der Kampagne dieser ?Uebergangsperiode? ausgeloest wurde, den die Gesellschaft erfuhr, als sie zum ersten Mal mit den Realien des Krieges des neuen XX. Jahrhunderts konfrontiert wurde.
Zweitens ist es die Desorientierung der Gesellschaft hinsichtlich der Ursachen der erlittenen Niederlage. Wenn jeder in Ehren und bis zu Ende seine Pflicht erfuellt hatte (und das unterliegt keinem Zweifel und die erlittenen Verluste sind eine Bestaetigung dessen), warum wurde der Krieg verloren? Die Antwort auf diese Frage blieb offen. Die Suche danach zwang immer wieder auf die Frage einzugehen: ?Hast du alles fuer den Sieg getan??, in sich zurueckzuziehen, was die pessimistische Stimmung noch verstaerkte. Das Fehlen einer Loesung des Russisch-Japanischen Krieges, die im Tragoedien-Modell seiner Wahrnehmung existent vorhanden war, machten es inhaltsreicher und adaequater vom Standpunkt der vorherrschenden Stimmungen der Masse. Mit anderen Worten fand dieses Bild des Russisch-Japanischen Krieges in der Gesellschaft mehr Anklang.
Wenn man das historische Bild als Ergebnis der Wechselwirkung von zwei Interpretationsebenen betrachtet, ? einer offiziellen (?top?) und einer gesellschaftlichen Ebene (?down?) ? kann man wohl das Vorhandensein von zwei verschiedenartigen Bildern eines Ereignisses einerseits dadurch erklaeren, dass beide Vektoren aus verschiedenen Gruenden abseits voneinander verliefen, und andererseits, durch die ungleichartige Einwirkung des zu untersuchenden Ereignisses auf verschiedene Bevoelkerungsschichten, und folglich durch das ungleichartige Andenken daran. Ein Zeugnis davon kann die Tatsache ablegen, dass die Versuche, die beiden Modelle bei der Schaffung eines neuen Bildes des Russisch-Japanischen Krieges zu instrumentalisieren, jedoch nicht zu einer harmonischen Synthese gefuehrt haben. Die Elemente dieser neuen Konstruktion bewahrten das notwendige Potenzial, um selbstaendig eine vollendete Vorstellung von dem reflektierten Ereignis zu gestalten. Das hat die weitere, genauer gesagt, die umgekehrte Bildevolution des Russisch-Japanischen Krieges in der Gegenwart ermoeglicht.

ANHANG(27)

Памяти ?Варяга?
(Р. Грейнц)
Auf Deck, Kameraden, all auf Deck!
Heraus zur letzten Parade!
Der stolze ?Warjag? ergibt sich nicht,
Wir brauchen keine Gnade!

An den Masten die bunten Wimpel empor,
Die klirrenden Anker gelichtet,
In stuеrmischer Eil zum Gefechte klar
Die blanken Geschutze gerichtet!

Aus dem sichern Hafen hinaus in die See,
Fuеs Vaterland zu sterben ?
Dort lauern gelben Teufel auf uns
und speien Tod und Verderben!
Er droеhnt und kracht und donnert und zischt,
da trifft es uns zur Stelle;
Es ward der ?Warjag?, das treue Schiff,
Zu einer brennenden Hoelle!

Rings zuckende Leiber und grauser Tod ,
Ein Aechezn, Rotcheln und Stothnen ?
Die Flammen flattern um unsern Schiff
Wie feuriger rosse Maehnen!

Lebt wohl, Kameraden, lebt wohl,hurra!
Hinab in die gurgelnde Tiefe!
Wer haette es gestern noch gedacht,
Dass er heut` schon da drunten schliefe!

Keine Zeichen, keine Kreuz wird, wo wir ruh`n
Fern von der Heimat, melden ?
doch das rauschet auf ewig von uns,
vom ?Warjag? und seinen Helden!


Памяти ?Варяга?
(Е. М. Студенская)
Наверх вы, товарищи! Все по местам!
Последний парад наступает!
Врагу не сдается наш гордый ?Варяг?.
Пощады никто не желает!

Все вымпелы вьются и цепи гремят,
Наверх якоря поднимая,
Готовятся к бою орудий ряды,
На солнце зловеще сверкая.

Из пристани верной мы в битву идем,
Навстречу грозящей нам смерти,
За родину в море открытом умрем,
Где ждут желтолицые черти!

Свистит и гремит и грохочет кругом,
Гром пушек, шипенье снаряда,?
И стал наш бесстрашный, наш верный ?Варяг?
Подобьем кромешного ада!

В предсмертных мученьях трепещут тела,
Вкруг грохот и дым и стенанья,
И судно охвачено морем огня,?
Настала минута прощанья.

Прощайте, товарищи! С Богом, ура!
В кипящее море под нами!
Не думали мы еще с вами вчера,
Что нынче умрем под волнами!

Не скажут ни камень, ни крест, где легли
Во славу мы русского флага,
Лишь волны морские прославят вовек
Геройскую гибель ?Варяга?!


?Помилуй нас, Бог Всемогущий??
(Гибель ?Стерегущего?)

Помилуй, нас, Бог Всемогущий,
И нашей молитве внемли.
Как истребитель погиб ?Стерегущий?
Вдали от родимой земли.

Командир прокричал: ?Ну, ребята!
Для вас не взойдет уж заря.
Героями Русь ведь богата,
Умремте ж и мы за Царя!?

И в миг отворили кингстоны,
И в бездну морскую ушли,
Без ропота, даже без стона.
Вдали он родимой земли.

И чайки туда прилетели:
Кружатся с предсмертной тоской.
И ?Вечную память? пропели
Героям в пучине морской.

В том сила России грядущей:
Герои бессмертны у ней.
Так миноносец живет ?Стерегущий?
В сердцах всех российских людей.



?Варяг?
(Я. Репнинский)

Плещут холодные волны,
Бьются о берег морской?
Носятся чайки над морем,
Крики их полны тоской?

Мечутся белые чайки,
Что-то встревожило их,?
Чу!.. загремели раскаты
Взрывов далеких, глухих.

Там, среди шумного моря,
Вьется Андреевский стяг,?
Бьется с неравною силой
Гордый красавец ?Варяг?.

Сбита высокая мачта,
Броня пробита на нем,
Борется стойко команда
С морем, врагом и огнем.

Пенится Желтое море,
Волны сердито шумят;
С вражьих морских великанов
Выстрелы чаще гремят.

Реже с ?Варяга? несется
Ворогу грозный ответ?
?Чайки! снесите отчизне
Русских героев привет?

Миру всему передайте,
Чайки, печальную весть:
В битве врагу мы не сдались ?
Пали за русскую честь!..

Мы пред врагом не спустили
Славный Андреевский флаг,
Нет! мы взорвали ?Корейца?,
Нами потоплен ?Варяг?!?

Видели белые чайки ?
Скрылся в волнах богатырь,
Смолкли раскаты орудий,
Стихла далекая ширь?

Плещут холодные волны,
Бьются о берег морской,
Чайки на запад несутся,
Крики их полны тоской?
?Warjag?
(J.Repninskij)


?На сопках Манчжурии?
Тихо вокруг, сопки покрыты мглой?
Вот из-за туч блеснула луна,
Могилы хранят покой.
Белеют кресты ? это герои спят.
Прошлого тени кружат давно,
О жертвах боев твердят.
Тихо вокруг, ветер туман унес,
На сопках Манчжурии воины спят
И русских не слышат слез.
Плачет, плачет мать родная,
Плачет молодая жена,
Плачут все, как один человек,
Злой рок и судьбу кляня!..
Пусть гаолян вам навевает сны,
Спите герои русской земли,
Отчизны родной сыны.
Вы пали за Русь, погибли вы за Отчизну,
Поверьте, мы за вас отомстим
И справим кровавую тризну


Не вейтеся, чайки, над морем?

Не вейтеся, чайки, над морем,
Вам негде, бедняжечкам, сесть.
Летите в Сибирь, край далекий,
Снесите печальную весть.

Стоим мы в лесах, во лесочках,
Где сопки, болота кругом,
И ждем мы жестокую схватку
С манчжурским коварным врагом.

Патроны у нас на исходе,
Снаряды все вышли давно.
Нам помощи ждать неоткуда
И здесь умереть суждено.

Вы видите, белые чайки,
Подходит наш час роковой,
Но мы переходим в атаку,
В последний наш бой штыковой.

Мы в плен не сдадимся живыми,
Врага победим, иль умрем.
Вы, братья, за нас отомстите,
Покончив с проклятым врагом.

Не вейтеся, чайки, над морем,
Вам негде, бедняжечкам, сесть.
Летите в Сибирь, край далекий,
Снесите печальную весть.

Раскинулось море широко?


Раскинулось море широко,
И волны бушуют вдали?
Товарищ, мы едем далеко,
Подальше от нашей земли.

Не слышно на палубе песен,
И Красное море шумит,
А берег суровый и тесен,?
Как вспомнишь, так сердце болит.

На баке уж восемь пробило,?
Товарища надо сменить.
По трапу едва он спустился,
Механик кричит: ?Шевелись!?

?Товарищ, я вахты не в силах стоять,?
Сказал кочегар кочегару,?
Огни в моих топках совсем прогорят,
В котлах не сдержать мне уж пару.

Пойди, заяви ты, что я заболел
И вахту, не кончив, бросаю.
Весь потом истек, от жары изнемог,
Работать нет сил ? умираю?.

Товарищ ушел? Он лопатку схватил,
Собравши последние силы,
Дверь топки привычным толчком отворил,
И пламя его озарило:

Лицо его, плечи, открытую грудь
И пот, с них струившийся градом.
О, если бы мог кто туда заглянуть,
Назвал кочегарку бы адом!

А он, извиваясь под жарким огнем,
Лопатой бросал ловко уголь.
Внизу было мрачно ? луч солнца и днем
Не может проникнуть в тот угол.

Окончив кидать, он напился воды ?
Воды опресненной, не чистой.
С лица его падал пот, сажи следы.
Услышал он речь машиниста:

?Ты, вахты не кончив, не смеешь бросать,
Механик тобой не доволен.
Ты к доктору должен пойти и сказать,?
Лекарство он даст, если болен?.

На палубу вышел, сознанья уж нет,
В глазах его все помутнилось,
Увидел на миг ослепительный свет,
Упал. Сердце больше не билось?

К нему подбежали с холодной водой,
Стараясь привесть его в чувство,
Но доктор сказал, покачав головой:
?Бессильно здесь наше искусство??

Проститься с товарищем утром пришли
Матросы, друзья кочегара,
Последний подарок ему принесли ?
Колосник обгорелый и ржавый.

К ногам привязали ему колосник,
И в простыню труп обернули.
Пришел корабельный священник-старик,
И слезы у многих сверкнули.

Доску приподняли дрожащей рукой,
И в саване тело скользнуло,
В пучине глубокой, безвестной, морской
Навеки, плеснув, утонуло.

Напрасно старушка ждет сына домой.
Ей скажут, она зарыдает?
А волны бегут от винта за кормой,
И след их вдали пропадает.


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